Im Gespräch mit Staatssekretärin Wenke Christoph
- kalinaagova
- Jan 1, 2020
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Die Initiative StadtNeudenken interviewte die Staatssekretärin für Stadtentwicklung und Wohnen zum Thema Miet- und Wohnkataster.
Maria Haberer führte das Interview für die Koordinierungsstelle Runder Tisch Liegenschaftspolitik

StadtNeudenken: Am 15.09.2020 hat sich der Senator für Stadtentwicklung und Wohnen für ein Miet- und Wohnkataster ausgesprochen. Können Sie uns erläutern, was die Aufgaben eines solches Katasters sein sollen, welche Daten erhoben werden und wie der Zugang zu den Daten reguliert wird?
Christoph: Wir haben uns auf den Weg gemacht, das herauszufinden. Klar ist, ein solches Kataster braucht eine gesetzliche Grundlage. Nicht nur um die öffentlichen Mittel, die wir für Aufbau und Pflege einsetzen, zu rechtfertigen, sondern insbesondere, weil es ein öffentliches Interesse braucht, das den Aufbau einer solchen Datensammlung angeht. Das kann z.B. ein allgemeines statistisches Interesse an der Situation auf dem Wohnungsmarkt sein, so wie z.B. im Einwohnermeldeamt Einwohnerdaten erhoben werden. Das Kataster könnte auch Rückschlüsse über Miethöhen geben, die wir für den Mietspiegel benötigen, Verstöße gegen das Zweckentfremdungsrecht aufdecken und auch zur Disziplinierung von Vermieter*innen beitragen, Mieten zu verlangen, die mit der Mietpreisbremse konform sind. Klar ist aber auch, der Datenschutz stellt an ein Miet-und Wohnungskataster hohe Anforderungen. Es muss ein begründbares öffentliches Interesse vorhanden sein, das Kataster muss dafür geeignet sein und mit Blick auf eine Veröffentlichung werden wir sicher auch in Zukunft nicht nachschauen können, wie hoch die Miete unserer Nachbar*innen ist.
StadtNeudenken: Es ist vorstellbar, dass ein Miet- und Wohnkataster nicht nur Fürsprecher*innen findet. Wer könnte davon profitieren und welche Argumente sprechen gegen ein solches Kataster?
Christoph: Die Realisierung eines Miet-und Wohnungskataster hätte, je nach Umfang der erhobenen Daten, viele Vorteile für Mieter*innen, Vermieter*innen und Politik bzw. Verwaltung. Wir wissen anhand der Baufertigstellungsanzeigen, den Erhebungen zum Mietspiegel oder dem bundesweiten Zensus wie viele Wohnungen es in dieser Stadt gibt. Aber wir wissen nicht, wie viele von Einzeleigentümer*innen und wie viele von institutionellen Akteuren vermietet werden und auch nicht zu welchen Konditionen. Die Eigentümerstruktur ist eine zentrale Frage: Wie groß ist der Anteil verschiedener Vermieter am Wohnungsmarkt, welche Marktmacht haben sie – in der gesamten Stadt und in einzelnen Kiezen? Diese Transparenz herzustellen und daraus die richtigen wohnungspolitischen Maßnahmen abzuleiten, kann für alle Beteiligten nur von Interesse sein.
StadtNeudenken: Im November 2020 ist die Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung „Wem gehört die Stadt“ von Christoph Trautvetter erschienen, in dem ein Miet- und Wohnkataster gefordert wird. Nun sind auch zwei Studien zur Umsetzung eines Miet- und Wohnkatasters in Auftrag gegeben worden. Was ist der Inhalt/die ersten Ergebnisse der von Ihnen in Auftrag gegebenen Studien?
Christoph: In der einen Studie werden Handlungsfelder von Politik und Verwaltung identifiziert, die den Aufbau des Miet- und Wohnungskatasters begründen würden – ich sprach bereits über das Zweckentfremdungsrecht, den Mietspiegel oder das Monitoring des Wohnungsmarktes. Gleichzeitig wurde recherchiert, wer die Datenbank füllen könnte. Dabei mussten wir schon feststellen, dass es nicht nur darum geht, vorhandene Daten zusammenzutragen, sondern wir müssen viele Daten neu erheben, was bspw. ohne die Mitwirkung von Eigentümer*innen nicht geht. Schließlich wurde ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern angestellt. Die Schweiz z.B. hat ein umfassendes Wohnungs- und Gebäuderegister, beschränkt sich aber auf die Erhebung technischer Daten, wie Baujahr oder Anzahl der Zimmer einer Wohnung. In Schweden werden Gebäudedaten mit Einwohnerdaten verknüpft. Dort können also inhaltliche Aussagen bspw. zur Belegung einer Wohnung abgeleitet werden. Für den inhaltlichen Anspruch an ein Kataster, den wir haben, gibt es aber keine Referenz andernorts.
Die zweite Studie beschäftigt sich mit der Frage der Erhebung der wirtschaftlich Verfügungsberechtigten von Wohnraum. Für einen umfassenden Überblick über den Wohnungsmarkt reicht es nicht zu wissen, dass der Eigentümer der Musterstraße 1 die Musterfirma 1 mit Sitz in Luxemburg ist. Diese gehört womöglich zu einem Eigentumsgeflecht. Das wollen wir herausfinden. Aber auch hier gilt, wir müssen das öffentliche Interesse und die Geeignetheit der Maßnahme nachweisen, um eine solche Analyse begründen zu können.
StadtNeudenken: Ein Miet- und Wohnkataster wird ja schon seit längerer Zeit diskutiert, wo sehen Sie Herausforderungen und Hürden in der praktischen Umsetzung? Und können Sie absehen, wann mit der Einführung des Miet- und Wohnkatasters zu rechnen ist?
Christoph: Es handelt sich definitiv um einen längeren Prozess. Aber wir stehen nicht am Anfang, sondern sind mitten in der Klärung wichtiger Grundlagen. Aber die Tatsachen, dass wir uns nicht an einer Referenzdatenbank orientieren können und zudem der Datenschutz aus guten Gründen einen besonders hohen Stellenwert in Politik und Öffentlichkeit genießt, zwingen uns zu einem wohl überlegten Vorgehen. Hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit, was wiederum bedeutet, dass wir über einen mehrjährigen Prozess reden. Diesen haben wir begonnen und wer auch immer nach den Wahlen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen leitet, kann daran anknüpfen.