Wie Berlin setzt auch die Stadt Köln seit einigen Jahren verstärkt auf das Erbbaurecht und die Konzeptvergabe. Anders als in Berlin, scheint in der Domstadt aber der städtische Wille zur neu ausgerichteten Liegenschaftspolitik größer. Simon Wöhr von der Koordinierungsstelle „Runde Tisch Liegenschaftspolitik“ hat in Köln nachgefragt und von Lothar Becker und Olaf Nobis von der Stadtverwaltung sowie von Stefan Anspach von der „Montag Stiftung Urbane Räume“ erfahren, wie Köln vorgeht.
von Simon Wöhr
Bild: Valentin La Coste
In Zeiten wachsender Herausforderungen durch Wohnraummangel stehen viele deutsche Ballungszentren vor der Aufgabe, kommunale Grundstücke nachhaltig und im Sinne des Gemeinwohls zu entwickeln. Auf der „Stadtkonferenz“ der Initiative StadtNeudenken am 27.09.2024 wurde jedoch deutlich, dass gemeinwohlorientierte Akteure in Berlin über gravierende Hürden bei der Vergabe von Grundstücken klagen. Kritisiert werden die geringe Flächenverfügbarkeit, intransparente Prozesse, unflexible Verträge und eine hohe Komplexität, die Innovationen hemmt und den Aufwand für die Projektentwicklung stark erhöht.
Dass es auch anders gehen kann, zeigt Köln. Dort verfolgt man eine pragmatische Strategie, die gemeinwohlorientierte Akteure stärker einbindet und ihnen größere Planungssicherheit bietet. Die Stadt Köln nutzt das Erbbaurecht seit 2019 als Instrument, um städtisches Eigentum langfristig zu sichern und gleichzeitig soziale und kulturelle Projekte zu fördern. Wie Olaf Nobis betont, ermöglicht das Erbbaurecht der Stadt, „die langfristige Verfügbarkeit von Grundstücken zu gewährleisten und gleichzeitig einen direkten Einfluss auf die Mietpreisentwicklung zu behalten“. Diese Strategie bietet im Vergleich zu klassischen Grundstücksverkäufen eine größere Flexibilität, da die Stadt nicht nur über die Nutzungsdauer des Grundstücks, sondern auch über die Art der Nutzung entscheiden kann.
So funktioniert das Kölner Modell
Ein aktuelles Beispiel für die Umsetzung des Erbbaurechts in Köln ist das Projekt an der Aachener Straße 443. Das Grundstück im Stadtteil Braunsfeld wird im Rahmen eines Erbbaurechtsvertrags genutzt, um geförderten Wohnraum für Studierende sowie eine Begegnungsstätte zu schaffen. Dabei spielt die Geschichte des Ortes als ehemaliges jüdisches Waisenhaus eine zentrale Rolle. Die Stadt Köln hat hier eine Vision: Es soll nicht nur bezahlbarer Wohnraum entstehen, sondern auch ein Ort der interkulturellen und interreligiösen Verständigung.
Das Projekt steht beispielhaft für das Bestreben der Stadt, das Erbbaurecht als flexibles und nachhaltiges Instrument einzusetzen, mit dem nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale und kulturelle Ziele verfolgt werden können.
Das leerstehende Gebäude an der Aachener Straße 443. Bild: Stadt Köln
Soziokulturelle Nutzungen durch Erbbaurecht fördern
Neben der Sicherung von Wohnraum spielt das Erbbaurecht auch eine zentrale Rolle bei der Förderung soziokultureller Projekte in Köln. Lothar Becker von der Stadt spricht von einer „Win-Win-Situation“: Gebäude werden saniert und gleichzeitig wird gesellschaftliches Engagement gefördert. Durch die Refinanzierung der Sanierungskosten können soziokulturelle Projekte oft realisiert werden, die ansonsten aufgrund hoher Investitionskosten kaum möglich wären.
Kriterien und Umsetzung des Erbbaurechts-Modells
Die Stadt Köln hat ein Bewertungsmodell für die Vergabe von Erbbaurechten entwickelt, das vor allem gemeinnützige und gemeinwohlorientierte Konzepte berücksichtigt. Gemeinnützigkeit ist die Grundvoraussetzung für die Gewährung eines günstigen Erbbauzinses.
Besonders interessant ist die dauerhafte Aussetzung des Erbbauzinses bei Projekten, die gemeinwohlorientiert betrieben werden. Dies ermöglicht es gemeinnützigen Gesellschaften, langfristig ihre Projekte ohne finanzielle Überlastung zu betreiben – und dadurch auch ohne hohe städtische Subventionen.
Gemeinsam mit der Montag Stiftung Urbane Räume aus Bonn, der GUJA und ihren Gesellschaftern der Jugendzentren Köln gGmbH, dem sozialen zentrum lino-club e.V. und dem SKM Köln verfolgt die Stadt Köln das Ziel, den Krebelshof im Kölner Norden als Projekt der chancengerechten Stadtteilentwicklung nach dem Initialkapital-Prinzip zu entwickeln. Hierfür laufen aktuell die Projektuntersuchungen.
Stefan Anspach, Vorstand der Montag Stiftung Urbane Räume, erklärt: „Für uns ist das Aussetzen des Erbbauzinses ein Baustein für das langfristig tragfähige Betreiben von unseren gemeinwohlorientierten Immobilienprojekten nach dem Initialkapital-Prinzip.“ Dieses Prinzip wendet die Stiftung bereits an sechs Standorten erfolgreich an. Durch eine Investition in eine Immobilie werden über Vermietungen dauerhafte Erträge für einen Stadtteil als sozialen Rendite für die Gemeinwesenarbeit und der Aufbau einer stabilen Trägerschaft vor Ort erwirtschaftet.
Umsetzung und Herausforderungen des Erbbaurechts-Modells
Trotz der Vorteile, die das Kölner Erbbaurechtsmodell bietet, stehen viele Projekte vor praktischen Herausforderungen. Die stark gestiegenen Baukosten und Zinssteigerungen machen es schwieriger, Projekte kostendeckend zu realisieren. Zwar gibt es in Köln bereits einige Beispielprojekte, wie das der städtischen Tochtergesellschaften oder genossenschaftliche Projekte, doch der Weg zur Umsetzung ist oft langwierig.
Ein weiteres Hindernis ist die Finanzierung durch Banken. Normale Geschäftsbanken waren bislang oft skeptisch gegenüber dem Erbbaurechtsmodell und zögern, solche Projekte zu finanzieren. Genossenschafts- Umwelt- und kirchliche Banken sind hier offener und haben bereits positive Erfahrungen gesammelt. Mittlerweile können jedoch auch klassische Banken für die Finanzierung solcher Projekte gewonnen werden, was die Umsetzung erheblich erleichtert.