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Das Clubkataster: Ein Frühwarnsystem für die Clubszene

Die Berliner Clubcommission stellt vor: Das Clubkataster 2.0 und die Notwendigkeit, die Zusammenhänge zwischen Clubstandorten und stadtplanerischen Entscheidungen sichtbar zu machen.


Ein Beitrag von Lukas Drevenstedt und Kai Sachse


Nicht erst seit der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen muss die Berliner Clubkultur um ihre Existenz kämpfen. Heranrückende Wohnbebauung und Gentrifizierungsprozesse sind in den vergangenen Dekaden immer wieder zur Gefahr für Clubs und Musikspielstätten geworden und haben zum Verschwinden einiger bedeutsamer Orte geführt.


So zum Beispiel im Fall des Knaack Club, der sich seit 1952 in der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg befand. Nachdem der Club sowohl den Bau und den Fall der Mauer als auch die Wiedervereinigung überstanden hatte, fiel er letztendlich der Gentrifizierung und einer damit verbundenen Wohnbebauung zum Opfer. Es war ein Loftausbau im Nachbargebäude, über den der Club nicht informiert wurde und sich später gerichtlich nicht mehr durchsetzen konnte, und so letztlich im Jahr 2010 schließen musste (vgl. Raiselis/Sachse 2020, S.121 ff. https://repositorio.iscte-iul.pt/bitstream/10071/20802/1/ICNS%20ebook.pdf).


Häufig sind fehlende Transparenz über Bauvorhaben und die mangelnde Bereitschaft Clubs und Musikspielstätten in Planungsprozesse einzubeziehen die Ursache für das bekannte Berliner “Clubsterben” und die Verdrängung von kulturellen Freiräumen aus der Innenstadt. Dabei gibt es gute Argumente, die für den Erhalt einer vielfältigen Berliner Clubkulturlandschaft sprechen: Clubkultur schafft Lebensqualität und eröffnet künstlerisch inszenierte Räume jenseits des Alltags. Für Menschen, die nicht der Mehrheitsgesellschaft entsprechen, stellen Clubs Safer Spaces dar, in den sie sich frei von Diskriminierung ausdrücken können. Communities, die sich innerhalb der Clubkultur entwickeln, entfalten ihre Bedeutung häufig weit über diese Orte hinaus. Clubkultur ist ein Nährboden für Kreativität und Innovation. Aus wirtschaftlicher Perspektive repräsentiert die Clubkultur die Anziehungskraft Berlins sowohl für Tourist:innen aus der ganzen Welt als auch für Künstler:innen, Kreative und Unternehmer:innen, für die Berlin sowohl Wohn- als auch Arbeitsort ist.


Im Jahr 2015 entwickelte die Clubcommission mit Mitteln des Musicboards ein Clubkataster, das die Standorte bestehender und ehemaliger Clubs und Musikspielstätten auf eine Karte brachte. Auf der Karte war eine  Bewegung der Clubstandorte im Uhrzeigersinn aus der Mitte heraus zu erkennen, die in Stadtentwicklungsdiskursen als “Gentrifizierungsspirale” bezeichnet wird. Die Veröffentlichung des Tools machte öffentlichkeitswirksam auf die Bedrohung der Berliner Clubkultur aufmerksam und trug dazu bei, dass das Wort “Clubsterben” international geläufig wurde. Im Jahr 2016 stellte Londons Bürgermeister Sadiq Khan das “Agent of Change”-Prinzip vor. Die Idee des Vorhabens war die Verlagerung der rechtlichen Verantwortung für die Auswirkungen von bestehenden lauten Aktivitäten (Clubs) auf neu geplante lärmsensitive Nutzungen (Wohnungen). In Berlin wurde das “Agent of Change”-Prinzip im Jahr 2020 von der Regierungskoalition verabschiedet. Auf das konkrete Verwaltungshandeln in den Bauämtern hat dies bisher jedoch (noch) keinen Einfluss, wie sich einer Anfrage des Grünen-Abgeordneten Georg Kössler entnehmen lässt.


Als im Jahr 2016 die Rot-Rot-Grüne Koalition die Regierungsarbeit aufnahm und starke politische Akzente für mehr Beteiligung setzte, ergab sich die Möglichkeit einer Neuausrichtung des Clubkatasters in Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro AG.URBAN finanziert aus Mitteln des Musicboards und der Senatsverwaltung für Kultur und Europa.


Das Clubkataster 2.0 richtet sich nicht mehr vorrangig an Entscheider:innen in Politik und Verwaltung, sondern an die Clubs, Musikspielstätten und die Szene selbst. Auf der Karte werden neben den Standorten der Spielstätten nun auch die Geodaten von Bauprojekten und Bebauungsplanverfahren erfasst. Über automatisierte Schnittstellen werden die Daten laufend aktualisiert und sobald ein neues Bauvorhaben in der Nähe einer Spielstätte auftaucht, erhält die Clubcommission eine Warnmeldung und damit die Möglichkeit die Betreiber:innen umfassend über ihre Möglichkeiten zu informieren und bei Bedarf umfangreich zu unterstützen mit Beratung, Fachexpertise, Moderation, Mediation, Kampagnen etc.




© Clubcommission/AG.Urban


In seiner jetzigen Form trägt das Clubkataster zur Verbesserung der Transparenz für Kulturtreibende und interessierte Bürger:innen in der Stadtentwicklungspolitik bei und bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Essentiell ist der Ausbau der Datenschnittstellen mit den verschiedenen staatlichen Akteuren in Berlin. Insbesondere wird eine noch engeren Zusammenarbeit mit der BIM, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen sowie mit den Bezirken angestrebt. Zum Beispiel existieren bereits sogenannte “Vorhabenlisten” in den Bezirken, deren Integration in Systeme wie dem Clubkataster bisher leider nur sehr schleppend bis gar nicht vorangehen. Die Herausforderung liegt hierbei vor allem in der rechtlich unklaren Situation. Seitens der Bezirke gibt es eine bemerkenswert hohe Bereitschaft zur Kooperation.


Eine weitere Möglichkeit zur Weiterentwicklung des Clubkatasters besteht in der Erweiterung auf andere schützenswerte Orte wie Programmkinos, freie Theater, Buchläden, Bars, etc. Auch jenseits der Kultur könnte dies interessant sein, z.B. für soziale Institutionen wie Kindergärten, Frauenhäuser und Jugendzentren. Es wäre auch vorstellbar ein Bürger:innen-Frühwarntool daraus zu entwickeln, in dem interessierte Bürger:innen eigene Punkte setzen können, für die sie Benachrichtigungen mit stadtentwicklungspolitischen Updates erhalten.


Das Clubkataster ist eine niedrigschwellige Informationsplattform, mit der potentielle Interessenkonflikte visualisiert und stadtpolitische Beteiligung gestärkt werden. Mit der Frühwarnfunktion wird sichergestellt, dass die Interessen von Clubbetreiber:innen in Bebauungsplanverfahren berücksichtigt werden. Das Tool leistet damit einen Beitrag zur Transparenz in der Stadtentwicklungspolitik und schafft eine Grundlage für den Kampf gegen Verdrängung.


 

Zu den Autoren:


Lukas Drevenstedt Berliner Clubcommission

Lukas Drevenstedt ist Geschäftsführer der Clubcommission. Er hat Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, sowie Kultur- und Medienmanagement in Berlin und Amsterdam studiert. Im letzten Jahr erschien sein Buch Clubkultur. Dimensionen eines urbanen Phänomens im Campus Verlag.

(Portrait © Nico Mayrock)




Kai Sachse

Berliner Clubcommission


Kai Sachse leitet den Bereich Beratung und Forschung der Clubcommission. Er hat Sozialwissenschaften und Politische Kommunikation in Düsseldorf und Berlin studiert.

(Portrait © Sarah Berger)



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