Wie wäre es, städtisches Bauland denen zur Verfügung zu stellen, die es selbst brauchen und ein gutes Konzept vorlegen – eins, das am Ende auch der ganzen Stadt nützt und nicht nur den Investor:innen? Also Neubau, aber in gut. Das ist die Idee hinter Konzeptverfahren, dem Instrument, das schon seit der Gründung des Runden Tisches Liegenschaftspolitik vor über 10 Jahren für Berlin gefordert wird. Seit 2018 ringen Zivilgesellschaft und Verwaltung zuweilen zäh, zuweilen kooperativ um die Umsetzung. Das sind die Gründe, warum sich das trotz aller Widerstände lohnen könnte – und die Herausforderungen in Berlin.
Eine Einordnung von Clemens Weise
Illustration: die superpixel
Neubau ist in aller Munde – eine wachsende, sich füllende Stadt mit angespanntem Wohnungsmarkt und starker Verdrängungstendenz. Es braucht daher ein größeres Angebot an leistbaren Wohnungen und Gewerberäumen. Das mantraartige Konzept der Bundes- wie Landesregierung ist bauen, bauen, bauen. Das sollen landeseigene Gesellschaften, aber vor allem auch profitorientierte Wohnungsunternehmen und Konzerne umsetzen. Warum das allein die Wohnungskrise nicht lösen wird, ist an anderer Stelle schon zur Genüge diskutiert worden[1] – denn, von den Auswirkungen des Bauens auf den Klimaschutz ganz abgesehen, geht es um Leistbarkeit im Bestand und das Recht auf Wohnen.
Doch wie gelangt man auch im Neubau dahin? Wie können wir heute die dauerhaft leistbaren Wohnungen von morgen bauen? Dazu kommt es nicht nur darauf an, dass gebaut wird, in immer größeren Stückzahlen. Denn den Berliner:innen nützen keine 500 fertiggestellte Wohneinheiten, wenn es 500 anonyme Luxus-Mikroapartments sind, die für den Maximalprofit errichtet werden und damit schlicht unbezahlbar sind. Es kommt im Neubau darauf an, wer (welche Akteur:innen), was (welche Art von Wohnungen), wie (zu welchen Konditionen und mit welchen Qualitäten) und zu welchem Zweck (als Anlageobjekt oder als Zuhause) baut.
Gemeinwohlorientierte Projekte, dauerhaft gesichert
Im Wohnungspolitik-Fachdiskurs gilt der Grad an „Dekommodifizierung“, also ob und wie sehr Wohnraum der reinen Marktlogik entzogen ist, als wichtiges Kriterium für eine sinnvolle Wohnungspolitik.[2] Und hier kann die Landespolitik über ihre Neubaupolitik maßgeblichen Einfluss nehmen. Über ihre landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften (wie sie es bereits tut), über Förderprogramme und nicht zuletzt über ihre Bodenpolitik und die Vergabe von Bauland an gemeinwohlorientierte Immobilienentwickler:innen (GI) – wie Genossenschaften oder das Mietshäuser Syndikat.
Es kommt im Neubau darauf an, wer, was, wie und zu welchem Zweck (als Anlageobjekt oder als Zuhause) baut.
Diese Träger bestehen aus Mitgliedern und zukünftigen Nutzenden (wie Familien, WGs, Einzelpersonen) und errichten ein Wohn- oder auch Gewerbegebäude, ähnlich einer Baugruppe. Anstatt jedoch Einzeleigentum zu bilden, das für Spekulation anfällig ist[3] – wird gemeinschaftliches Eigentum in der Nische zwischen Markt und Staat geschaffen. Die Bewohner:innen sind Mieter:innen eines Hauses, das ihnen, anteilig, gehört und über das sie weitgehend selbst bestimmen können. Lediglich das „Kasse machen“ ist per Satzung ausgeschlossen.
Solche Co-Housing- oder gemeinschaftlichen Wohnprojekte sind geeignet, (Teil-)Antworten auf gesellschaftliche Probleme zu geben – wie Vereinzelung oder steigenden Wohnflächenkonsum, etwa mit innovativen Wohnungstypologien (Clusterwohnungen) und Gemeinschaftsräumen.[4] Aber auch jenseits der Versorgung mit Wohnraum haben sich längst Projekte etabliert, die dauerhaft leistbare Gewerbe-, Atelier- und Kulturorte aufbauen oder sichern wollen. Genügend gelungene Beispiele mit innovativen Lösungsansätzen werden inzwischen auch abseits des Architekturdiskurses breit diskutiert. Ob der Handwerkerhof Ottensen in Hamburg, der durch das Mietshäuser Syndikat dauerhaft dem Markt entzogen bleibt; die gemischt genutzte Samtweberei in Krefeld, wo die Nutzer:innen sich verpflichten, „Viertelstunden“ für das Gemeinwesen der Nachbarschaft zu erbringen und die Stadt dafür auf Erbbauzinsen verzichtet; oder die Zürcher Kalkbreite, ein genossenschaftlicher Wohn- und Geschäftshäuserblock mit vielen Gemeinschaftsräumen, das über einem aktiven Straßenbahndepot der Stadt errichtet ist.
7 % der Fläche des Treuhandvermögens sind „Splitter- und Arrondierungsflächen“ (Stand: 2020)
Urbane Optionsflächen – eine neue Flächenkategorie für gemeinwohlorientierte Nutzungen in Berlin
Mit der Studie wurde auch formal eine neue Flächenkategorie geschaffen, die es dem Land Berlin nun erlaubt, gemeinwohlorientierte Nutzungen aus den oben umschriebenen Bereichen nachhaltig zu sichern, in dem diese in einen extra Pool geclustert oder zugeordnet werden können.
Im Rahmen einer zukunftsgerechten Stadtentwicklung, die auf ökologische Transformation und soziale Nachhaltigkeit ausgelegt sein muss, bilden urbane Optionsflächen somit ein neues Konzept und Werkzeug für die Unterstützung einer gemeinwohlorientierten Raumproduktion.
Urbane Optionsflächen sind Ergebnis eines umfassenden Bewertungsprozesses kommunaler Liegenschaften, welcher einzelfallspezifisch landeseigene Flächen in gemeinwohlorientierte Nutzungen überführt. Die Suche nach urbanen Optionsflächen erfordert eine zielgerichtete Vorgehensweise in der Erkundung landeseigener Liegenschaften und verlangt eine konsequente Ausweitung der operativen Möglichkeiten zur Evaluierung und Vergabe solcher Flächen.
Zürich, Wohn- und Gewerbebau Kalkbreite, Sicht von Kalkbreitestrasse. Bild: Genossenschaft Kalkbreite, Volker Schopp
Zürich, Wohn- und Gewerbebau Kalkbreite, Sicht auf Hof. Unter dem Spielplatz befindet sich das überdeckelte Straßenbahndepot. Bild: Genossenschaft Kalkbreite, Volker Schopp
Konzeptverfahren als Instrument
Allen diesen gegen Spekulation gesicherten Projekten ist gemein, dass sie auf Grund errichtet sind, der von der Stadt günstig verkauft oder im Erbbaurecht vergeben wurde – und dass sie nur so entstehen konnten. Ein Bindeglied für die Grundstücksvergabe kann hier das Instrument Konzeptverfahren sein. Es handelt sich dabei um einen Wettbewerb um ein städtisches Grundstück (Bietverfahren), bei dem jedoch nicht der höchste gebotene Preis, sondern vor allem die Qualität des eingereichten Nutzungskonzepts entscheidend ist.[5]
Diese Art der Vergabe kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, selbstorganisiertes und gemeinwohlorientiertes Bauen und Wohnen im Neubau wie im Bestand zu fördern und dabei Qualitäten für das Quartier und die Stadt zu sichern. Die Kriterien der „Bewertungsmatrix“ sind in der Regel: Architektur, Nachhaltigkeit, Nutzungs- und Finanzierungskonzept, bezahlbares Wohnen und Integration von marginalisierten Gruppen sowie die Anbindung an die Nachbarschaft. Sie werden je nach Standort und Fokus unterschiedlich gewichtet. Indem die Jury genau aufschlüsselt, wie viele Punkte je Kriterium sie für ein Konzept gibt, macht sie die Vergabe transparent.
Wie auch andere Instrumente sind Konzeptverfahren natürlich keine Allheilmittel. Es kommt stark darauf an, wie sie ausgestaltet sind und unter welchen Rahmenbedingungen sie durchgeführt werden. Hier zeigen sich in Berlin aktuell einige Herausforderungen.
Situation in Berlin
Auch in Berlin gibt es einige Beispiele gelungener alternativer Umbau- und Neubauprojekte im gemeinwohlorientierten Bereich: ExRotaprint, Blumengroßmarkt, Spreefeld – inzwischen ein wenig in die Jahre gekommene Projekte. Mit der regelrechten Bodenpreisexplosion der letzten Jahre[6] stagniert dieses Segment jedoch, bei gleichzeitigem Absterben von bezahlbarem Wohnraum, von Clubs, Atelierhäusern und Räumen für soziale Nutzungen wie Kitas oder betreute Wohnformen. Für gemeinwohlorientierte Projekte sind die spekulativ überhöhten Marktpreise nicht bezahlbar, während das Umsteuern der Grundstückspolitik – nach der Ursünde des Ausverkaufs der 1990er- und 2000er-Jahre – vom Verkaufsstopp auf eine Versorgung mit Boden noch immer andauert. Die wenigen in den vergangenen 10 Jahren durchgeführten Konzeptverfahren (Schöneberger Linse und andere) haben eher aufgezeigt, vor welchen Herausforderungen Berlin hier steht.
Eine dieser Herausforderungen ist das Prozessdesign der Institution, die mit der Durchführung der Konzeptverfahren in Berlin betraut ist: die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). Sie ist eine Gesellschaft des Landes Berlin, die der Finanzverwaltung unterstellt ist, vom Feuerwehr- bis zum Verwaltungsbüro alle Gebäude des Landes managt (instand hält, saniert, neu baut) und zudem die Grundstücke im Vermögen des Landes hütet. Bei all diesen Aufgaben scheinen Konzeptverfahren eher eine komplizierte Zusatzaufgabe mit geringer Priorität und rechtlichen Fallstricken darzustellen.[7] Resultat waren abschreckende, unendlich bürokratische Verfahren mit hohen Hürden für interessierte „Bietende“.
Demgegenüber stehen die Forderungen aus der Zivilgesellschaft: niedrigschwellige Verfahren, in denen auch „noch nicht“ professionelle Gruppen eine realistische Chance bekommen. Dass die Durchführung der Konzeptverfahren auch anders gelingen kann, zeigt das Beispiel Leipzig: die Konzeptverfahren kooperatives und bezahlbares Bauen und Wohnen, werden direkt von der Stadtverwaltung (Liegenschaftsamt) ausgeschrieben und durch das Netzwerk Leipziger Freiheit betreut, einem Verbund aus der Szene der selbstorganisierten Projekte.
Die angestrebte realistische Chance führt zu einem zweiten Punkt: der Menge und Größe der Grundstücke, die vergeben werden. Schon die Genossenschaften klagen, dass bislang fast nur kleine und komplizierte „Restgrundstücke“ in Konzeptverfahren gelangen – während sie am liebsten ganze Genossenschaftsquartiere bauen würden. Für die bis zu 5000 neu gebauten Wohnungen, die von Genossenschaften im Bündnis für Wohnungsneubau bis 2026 angepeilt wurden, sind die Grundstücke der Flaschenhals. Zum Vergleich: Um das Ziel zu erreichen, müssten Wohnungen in einer Größenordnung gebaut werden, die über 10 Mal der des Möckernkiez-Genossenschaftsquartiers an der Yorckstraße entspricht (471 Wohnungen, rund 43.000 m² Nutzfläche).[8]
10 Blocks von der Größe der Möckernkiez-Genossenschaft am Park am Gleisdreieck würden an die Neubauziele des Senats von 5000 genossenschaftlichen Wohnungen herankommen. Allein es fehlen die Grundstücke. | Bildmontage: Autor / Luftbild: Bing
Doch selbst Gruppen, die unter dem Dach des Mietshäuser-Syndikats ein selbstorganisiertes Projekt aufziehen wollen, können im Angesicht des Runs auf die wenigen angebotenen Grundstücke bislang nicht in der Konkurrenz bestehen – zumal auch professionelle Projektentwickler:innen mitmischen.[9] Wenn bei jedem neuen angebotenen Grundstück etliche Bewerber:innen leer ausgehen – und umsonst Zeit, Erfindungskraft und Geld investiert haben, um Konzepte zu entwerfen – dann zeigen sich die Grenzen der Effizienz einer Wettbewerbssituation um knappe Güter wie leistbare städtische Grundstücke.
Konzeptverfahren müssen daher in ein strategisches Flächenmanagement bei der Stadt eingebunden sein: Es sorgt dafür, dass ausreichend Grundstücke von Privaten angekauft oder von staatlichen Gesellschaften übernommen werden, die die Stadt dann unter anderem über Konzeptverfahren verschiedenen GI-Entwickler:innen zur Bebauung und Nutzung zur Verfügung stellt. Über Erbbraurechtsverträge können die Ziele der Konzeptverfahren hierbei langfristig abgesichert werden.
Dieser an sich wünschenswerte Aspekt bedarf jedoch einer Kooperation auf Augenhöhe – ein Anspruch, der im Hinblick auf die Vertragskonditionen für Erbbaurechte des Landes Berlin, für die meisten Genossenschaften als nicht erfüllt angesehen wird. Äußerst genau werden von der BIM die Risiken eines möglicherweise scheiternden Projekts kalkuliert, was sich in der Folge negativ auf die Finanzierungsbedingungen aller Neubauprojekte auswirkt; zu oft wird auf fundiert begründete Hinweise oder Bitten nur mit einem juristisch begründeten „Nein, weil …“ geantwortet. Hier bräuchte es politische Flankierung, die es der BIM erlaubt, in einer „Ja, wenn …“-Logik – vom Ende her denkend – nach vorn gehen kann.
Im Hinblick auf andere Forderungen tun sich jedoch auch Lichtblicke auf. Zwar muss weiterhin ein Preis (Erbbauzins) für Grundstücke geboten werden – dieser kann jedoch ausgehend von den erwarteten Einnahmen („residual“) berechnet werden[10] – und fließt nur zu einem geringen Teil (zu 10 %) in die Wertung ein. Der Preis ist damit kaum noch ein Bewertungskriterium.
Damit das Potenzial des Instruments Konzeptverfahren für gemeinwohlorientierte Projekte wirklich zum Tragen kommen kann, müssen die Konditionen stimmen: Genügend Grundstücke, die auf diesem Weg zur Verfügung gestellt und entwickelt werden; Prozesse und Vertragskonditionen, die für alle Beteiligten zielführend und umsetzbar sind und Transparenz bei den Kriterien und Vergabeentscheidungen. Damit diese dicken Bretter gebohrt werden können, gehört das Thema gemeinwohlorientiertes Bauen für dauerhaft leistbare Räume aber auch in den Spitzen der Landespolitik weiter oben auf die Agenda. Anstatt dass nur immer neue Raumverluste zu beklagen sind, könnten dann in naher Zukunft die Eröffnung neuer Räume als dauerhafte gemeinwohlorientierte Infrastruktur für das Stadtleben gefeiert werden.
Zum Weiterlesen
Holm/Laimer (Hg.) (2021). Gemeinschaftliches Wohnen und selbstorganisiertes Bauen. TU Wien Academic Press.
(Kostenlos herunterladbares E-Book/Creative-Commons-Lizenz)
Gennies (2021). Konzeptverfahren als Instrument einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung. Universitätsverlag der TU Berlin.
Fußnoten
[1] ZEIT online (09.03.2023). Bauen, bauen, bauen und die Mieten steigen weiter.
[2] Holm (2011). Wohnung als Ware: zur Ökonomie und Politik der Wohnungsversorgung. In: Widersprüche – Zeitschrift für sozialistische Politik im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich, 31(121), 9–20. S. 17.
[3] Das zeigt sich zum Beispiel, wenn eine Eigentumswohnung nach Auszug der Kinder nicht mehr selbst bewohnt, sondern an die Meistbietenden weiterverkauft oder vermietet wird: Die Wohnung wird somit vom Zuhause (wieder) zur Geldanlage.
[4] id22 (2017). CoHousing Inclusive: Selbstorganisiertes, gemeinschaftliches Wohnen für alle. Jovis. ISBN 978-3-86859-462-1 https://cohousing-inclusive.net/de/
[5] Osseforth/Lampert (2021). Vergaberechtlicher Rechtsrahmen für Konzeptverfahren. In: Forum Wohnen und Stadtentwicklung 4/2021. S. 190–193.
[6] Im dichter bebauten Berliner Stadtgebiet hat sich der Bodenpreis zwischen 2005 und 2015 verdoppelt, zwischen 2005 und 2020 fast verzehnfacht.Vgl. Weise (2022): Gaining Ground? Berlin’s Housing and Land Decommodification Initiatives and Their Efforts to Common·ize Urban Land, S. 33f.
[7] Es wird beispielsweise auf die Anwendung von Vergaberecht bestanden – für Konzeptverfahren ist das einmalig in der Bundesrepublik. Es wurde sich in der AG Konzeptverfahren dazu entschieden, die Anwendung von Vergaberecht zu akzeptieren, jedoch aufzuzeigen, dass dieses größere Spielräume für gute Konzeptverfahren zulässt, als die bisher durch die BIM durchgeführten.
[9] NBMHSI (2022): Das MHS und die Stadtentwicklung (Podcast).
[10] Es kann ein Erbbauzins von 0,1 % geboten werden – ein deutlich geringerer Wert als die aktuell angelegten 1,8 % für den Wohnungsbau; vgl. Dokumentation der Werkstatt Konzeptverfahren II.
Über den Autor
Clemens Weise studierte Urbanistik (B. Sc.) in Weimar und Istanbul und Urban Studies (M. Sc.) in Brüssel und schrieb seine Masterarbeit zu stadtpolitischen Initiativen, die sich in Berlin mit Bodenpolitik auseinandersetzen. Er begleitete die Werkstätten zu Konzeptverfahren in Berlin 2019 und 2022.