Fehlt es nur an den richtigen Informationen? Chancen und Risiken einer auf Geodaten und Open Data basierten Lösung für ein öffentliches Liegenschaftskataster.
Ein wissenschaftlicher Beitrag von Prof. Dr. Fabian Thiel

Einführung: Informationelle Instrumente einer zeitgemäßen Liegenschaftspolitik
Die Baulandkommission beim BMI empfahl im Abschlussbericht, dass ein bundesweites Bodenkataster eingeführt werden solle, das die Eigentumsverhältnisse an allen Grundstücken enthält. Denn das gegenwärtige Wissen um die Produktion von Bauland für Siedlungs- und Verkehrszwecke ist sehr beschränkt. Dies gilt vornehmlich für den Außenbereich, aber auch im unbeplanten Innenbereich. Information ist und war schon immer ein machtvolles Instrument staatlicher Steuerung, das zudem nicht als weiches Instrument zu klassifizieren ist. Bei der Information geht es um das staatliche Bereitstellen von an die Allgemeinheit (Nutzer, Mieter, Eigentümer) gerichteten Informationen, um die Information der Steuerungsadressaten.[1] Diese These ist im Folgenden an Hand der Funktionserfüllung von (Liegenschafts-)Kataster und Grundbuch als Ausprägung des „informierenden Staates“ zu prüfen. Kataster und Grundbuch übernehmen wichtige informatorische und vor allem eigentumsregistratorische Aufgaben. Katasterfunktionen haben sich zunehmend ausdifferenziert. In den Gemeinden wird vermehrt mit Brutvögelkatastern, Baumkatastern, ökologischen Ausgleichsflächenkatastern sowie Miet- und Wohnflächenkatastern gearbeitet. In Verbindung mit den Bauleitplanauskunftssystemen kann man durchaus von einem Bodenmarktberichtssystem sprechen. Im Jahr 1982 veröffentlichten Dieterich et al. eine innovative Studie mit Vorschlägen für ein Bodenmarktberichtssystem für die Bodenpolitik der öffentlichen Hand.[2] Die Lektüre dieses Forschungsberichts ist sehr zu empfehlen. Gerade für die aktuelle Debatte in Berlin können aus ihr sinnvolle Anregungen zur (statistischen) Bodenpreiserfassung und zum verbesserten Zugang zur Kaufpreissammlung entnommen werden.
Das Problem des § 195 Abs. 3 BauGB – Einsicht nur bei berechtigtem Interesse – besteht im Kern nach wie vor. Digitalisierungsmöglichkeiten für die Kaufpreissammlung werden aktuell diskutiert, etwa, ob ein Notar dem Gutachterausschuss den beurkundeten Vertrag einschließlich der Angaben zur Gemarkung und zur Flurstücksnummer digital zusenden kann und ob hierdurch das Abschriftserfordernis des § 195 Abs. 1 Satz 1 BauGB erfüllt ist. Auch eine zentrale Bundes-Kaufpreissammlung zur einheitlichen Ableitung von Bodenrichtwerten und der sonstigen für die Wertermittlung relevanten Daten nach § 193 Abs. 5 BauGB ist im Gespräch. Zudem bestehen unterschiedliche Regelungsbereiche. Das Liegenschaftskataster unterliegt grundsätzlich dem Öffentlichkeitsgrundsatz. Geodaten sind über Geodateninfrastrukturen (GDI), die Geodatenportale sowie Vermessungs- und Geodatenzugangsgesetze heute in den Bundesländern kostenfrei oder gegen geringes Entgelt zu beziehen. Der Zugang zum Flurstücks- und Eigentümernachweis sowie zum Liegenschaftsbuch ist hingegen nur bei berechtigtem Interesse möglich; die Berechtigung wird von der zuständigen Behörde geprüft.
Vorbild: Transparenzschaffung auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt durch ein Agrarstrukturregister
Im Agrarstrukturrecht wird derzeit versucht, bei der Erfassung der grundstücksrelevanten Daten in einem digitalen Agrarstrukturregister sich der Blockchain-Technologie zu bedienen. Zielsetzung ist, die verschiedenen Grundstücksverkehrsbehörden bei der Erfassung und Speicherung der Datensätze (Blocks) auf bereits implementierte bundesländerübergreifende Datensätze des Gesamtsystems zugreifen zu lassen. Als Rechtsgrundlage zur Verarbeitung der im Genehmigungsverfahren erhobenen Daten in einem digitalen Agrarstrukturregister wurde die Aufnahme in Art. 6 Abs. 1 lit. c,e und Abs. 3 EU-DSG-VO de lege ferenda vorgeschlagen. Argument: Für das Grundstücksverkehrsrecht (Landwirtschaft) ist das Transparenzgebot in seiner rechtlichen und tatsächlichen Ausführung von überragender Bedeutung und kann dereinst als Vorbild für ein digitales Agrarstrukturregister dienen. Zielsetzung ist die Veröffentlichung von Daten zur Ausübung vorrangiger Pacht- und Vorkaufsrechte etwa zum Schutz ortsansässiger Landwirte. Einschränkend ist zu sagen, dass die vorgeschlagene Regelung lediglich die Datenverarbeitung personenbezogener Daten im Agrarstrukturregister betreffen sollte[3], nicht jedoch die Identifizierung von Eigentumsrechten, Eigentumsverhältnissen oder die Ermittlung von Erwerben im Rahmen von Share Deal-Konstruktionen.
Generalisierend kann festgehalten werden: Je eigentümernäher sich das Auskunftsverlangen gestaltet, desto weniger öffentlichkeitsgrundsätzlich wird es. Gleiches gilt für Informationen zu städtebaulichen Verträgen nach § 11 BauGB und für von der Gemeinde abgeschlossene Erbbaurechtsverträge. Es stellen sich folgende Grundfragen: Wie kann das endogene Kreativpotenzial in den liegenschaftsbezogenen Fachverwaltungen für eine bessere Innenentwicklung genutzt werden? Wie kann die Geodatenverwaltung durch Open Government und E-Partizipation im Sinne von Open Source-Innovationen auch Lösungen von außen für ein Liegenschaftskataster „importieren“? Im Folgenden werden einige der bestehenden Hinderungsgründe aufgezeigt, aber auch Fortentwicklungsmöglichkeiten unterbreitet.
Kataster und Grundbuch: Nach wie vor fehlende Verknüpfung und kein einheitlicher Zugang!
In der entwickelten Grundstücksordnung der Bundesrepublik steht das Kataster mit seiner genauen geometrischen Flächeneinteilung für die materiellen Bedingungen über jedes einzelne Grundstück. In der Unterteilung des abgesteckten Geländes soll sich die Stadtentwicklung abspielen.[4] Grundbücher regeln das Nutzungs- und Verfügungsrecht einer Person oder Institution über jedes einzelne Grundstück. Allerdings bewirken Datenschutzbedenken der Grundstückseigentümer und ein defizitäres Interesse an der Grundstücksvermarktung eine nicht ausreichende Verfügbarkeit der Grundstücke insbesondere beim Brachgrundstücksrecycling.[5] Zudem existiert keine bundeseinheitliche Erhebung über Lage, Umfang oder Kreislauffähigkeit für Brachgrundstücke. Es gibt derzeit noch kein bundeseinheitliches „Brachflächenkataster“[6], auch keine bundeseinheitliche Statistik über Eigentumsverhältnisse und Eigentumsverteilung auf den urbanen und landwirtschaftlichen Bodenmärkten.
Die Forderung, Kataster und Grundbücher zu einer einheitlichen Behörde zusammenzulegen, ist in der Vergangenheit schon oft erhoben worden. Realisiert wurde dies bislang in keinem Bundesland. Eine solche Zusammenlegung ist jedoch rechtlich und organisatorisch voraussetzungsvoll. Die Katasterbehörden entwickelten sich in diesem Kontext zu Landmanagementbehörden, die die Aufgaben des Grundbuchamts und der Katasterbehörden unter einem Dach bündeln könnten. Es entstünde eine Behörde mit zwei Verfahrensordnungen, so die Anregung von Landau.[7] Die Fusion beider Behörden brächte allerdings Änderungen in der GBO, im FGG, im RPflG und in der KostO mit sich. Ihre Funktionen dürfen indes nicht miteinander verwechselt werden.[8] Neue Aufgaben kommen für Behörden auf dem Feld des Brachlandrecyclings (Baulückenkataster) zu. Das Baulückenkataster informiert eine Kommune über den Siedlungsbestand und gibt potenziellen Investoren Hinweise darauf, auf welchen innerstädtischen Grundstücken nach §§ 30, 33 und 34 BauGB Baurecht besteht und auf welchen Grundstücken nicht gebaut werden darf.
"Die Forderung, Kataster und Grundbücher zu einer einheitlichen Behörde zusammenzulegen, ist in der Vergangenheit schon oft erhoben worden. Realisiert wurde dies bislang in keinem Bundesland." – Prof. Dr. Fabian Thiel
Zum Begriff „Geodatenmanagement 4.0“
Für das Geodatenmanagement 4.0 liegen auch jenseits von ALKIS® in einer (bürger-)offenen Geoinformations- und Liegenschaftspolitik im Sinne der Big Data, Open Geo Data und Post-Privacy-Bewegung große Chancen, aber auch Risiken und eigentums- bzw. datenschutzrechtliche Fallstricke. Insbesondere das Kriterium „Zugang zu Information“, das mit einer Geodateninfrastruktur eigentlich optimiert werden soll, ist für Bürger und selbst für Mitarbeiter der Fachverwaltungen nicht immer hinreichend erfüllt. Ohne Kooperation der liegenschaftsbezogenen Ämter und ein Datenaustausch ist ein Geodatenmanagement 4.0 in der Digitalen Agenda kaum möglich. Für den Begriff Geodatenmanagement 4.0 gibt es indes bislang keine Legaldefinition. Geodatenmanagement 4.0 hat (noch) keinen Masterplan. „Big Data“ wird erheblichen Einfluss nicht nur auf industrielle Abläufe, sondern auch auf die kommunale Liegenschaftspolitik ausüben. Die Handlungsspielräume sind derzeit nicht einmal in den Ansätzen erfasst. Als gesichert gilt, dass Geodaten als „ungehobene Schätze“ die Liegenschaftspolitik im Zeitalter des Internets der Dienste und der Dinge erheblich weiterentwickeln können. Zielsetzung ist ein Geodatenmanagement in der digitalen Agenda und der internetbasierten Kollaboration, mithin „in Echtzeit“. Die Rechtswirklichkeit, insbesondere die Auffassung von Grundstückseigentum, von grundgesetzlichen Persönlichkeitsrechten der Bürger (insb. der Eigentümer) und der nach wie vor sakrosankte Datenschutz scheinen mit dieser Entwicklung noch nicht hinreichend Schritt halten zu können.
Verwaltung 4.0 ist der Überbau für die Verwaltungsmodernisierung, die mehr beinhaltet als die bekannten Neuen Steuerungsmodelle.[9] Diese vierte industrielle Revolution zum Grund und Boden – im wahrsten Sinne des Wortes – zu bringen, wird indes keine leichte Aufgabe sein. Es braucht in erster Linie die Kooperation der Grundstückseigentümer mit den Planungsträgern. Heinrich Mäding verweist mit Recht darauf, dass Liegenschaftspolitik auch das Sachwissen über eine aktuelle, leicht handhabbare und möglichst Schnittstellen freie Liegenschaftsdatenbank umfassen müsse.[10] Geodatenmanagement 4.0 kann von der Verwaltung 4.0 einiges lernen, was die medienbruchfreie Datenerhebung und –Verarbeitung und das endogene Kreativpotenzial etwa der liegenschaftsbezogenen Fachverwaltungen Stadtplanung, Stadtvermessung, Umwelt- und Liegenschaftsamt sowie Kämmerei (Doppik) anbelangt. Ihre Koordination könnte durch medienbruchfreie Prozesse und durch Einbeziehung der unterschiedlichen Perspektiven erheblich verbessert werden. Ziel sollte sein, dass Liegenschaftsverwaltung und öffentliche Planungsträger bürgeroffener und „auf Augenhöhe“ miteinander agieren. Der nachfolgende Beitrag analysiert Chancen und Risiken für das auf Innenentwicklung der Siedlungskörper ausgerichtete Geodatenmanagement 4.0 als medienbruchfreie Innenentwicklung durch Open Geo Data, ALKIS® und das Baulandkataster gemäß § 200 Abs. 3 BauGB. Abschließend werden diese Instrumente anhand des Raumbeispiels Frankfurt am Main auf ihre Tauglichkeit für eine auf Innenentwicklung und Leerstandsmonitoring hin ausgerichtete Liegenschaftspolitik untersucht.
Geodatenmanagement in der Geoinformationspolitik: Geodaten als ungehobene Schätze
Das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften – E-Government-Gesetz – hat Regelungen zur Bereitstellung von maschinenlesbaren Datenbeständen durch die Verwaltung getroffen. Daten sind dann „offen“, wenn sie für jedermann frei zugänglich, ohne Einschränkung verwendet sowie weiter verbreitet werden dürfen. Sind diese drei Kriterien bereits für Verwaltungsdaten schwierig zu handhaben, so gilt dies erst recht für Geodaten als eine Unterkategorie der Verwaltungsdaten. Allerdings: Ohne barrierefreien Zugang und ohne eine demokratische Governance ist kein transparentes, dynamisches Geodatenmanagement 4.0 denkbar. Wo liegen die rechtlichen Grenzen für Liegenschaftspolitiker, die im Zeitalter des digital gestützten Planens und Bauens (vgl. Abb. 1) die Innenentwicklung optimieren möchten?
Ein beachtliches Problem für die Liegenschaftspolitik stellt somit das Spannungsfeld zwischen Geodaten und (georeferenzierten) Personen bezogenen Daten dar. Verwaltungen sind gleichsam „gebrannte Kinder“, was den Umgang mit Personen bezogenen Daten und mit der informationellen Selbstbestimmung der Bürger nach Art. 2 Abs. 1 GG anbelangt. Dieser Bereich ist vielgestaltig und beeinträchtigt beispielsweise Maßnahmen innerhalb des „Datenkreislaufs“ Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung des Art. 2 Abs. 1 GG.[11] Der Personenbezug von Daten führt indes nicht immer und absolut zu einem Verbot ihrer Erhebung, etwa dann nicht, wenn Daten zu Forschungszwecken erhoben werden, wenn durch Einsicht in das Einwohnermelderegister öffentliche Stellen diese Daten zur hoheitlichen Aufgabenerfüllung benötigen oder wenn nicht-öffentliche Stellen – etwa Geodatendienstleister – nach den §§ 28 und 29 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) einen Vertrag mit den betroffenen Grundstückseigentümern getroffen haben.
Geoinformationspolitik – Rechtliche Grundlagen und Tools
Grundgesetz
Georeferenzgesetz
Geodatenzugangsgesetz
E-Government-Gesetz
Transparenzgesetz
Geodatennutzungsverordnung
Geodateninfrastruktur (GDI)
Richtlinie zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur (INSPIRE)
Bundesdatenschutzgesetz
ALKIS®/ATKIS
GeoBasisDE
Basis-DLM
Open Geospatial Consortium (OGC)
Geoinformationspolitik und deren Elemente (Auswahl)
Nach den §§ 11 und 12 GeoZG in Verbindung mit der GeoNutzV stehen diejenigen Daten nicht zur Verfügung, bei deren Herausgabe Rechte Dritter entgegenstehen. Rechte Dritter sind insbesondere die Rechte der Grundstückseigentümer nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG in Kombination mit den §§ 903 ff. BGB (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1: Potenzielle Freiheitsräume eines Grundstückseigentümers
Je kleinteiliger und eigentumsnäher, desto schwieriger und mit mehr Defiziten bei der Aufstellung eines kommunalen Brachflächenkatasters (§ 200 Abs. 3 BauGB) behaftet – und desto mühevoller die behördeninterne Vernetzung. Raumbeispiel Niedersachsen: Das Baulücken- und Leerstandskataster, das mit Hilfe des Landesamtes für Geoinformation und Landentwicklung (LGLN) implementiert wurde, belegt, dass Eigentümerdaten von der Verwaltung durch Melde- und Stammregister zwar erhoben, aber intern nicht abgerufen oder gar weiterverarbeitet werden dürfen. Die Digitale Agenda eines Geodatenmanagements 4.0 klemmt an dieser Stelle. Zur Auflösung dieses datenschutzrechtlichen Dilemmas ist die Festlegung bestimmter Schwellenwerte im Kataster denkbar, bei deren Überschreitung geringer persönlichkeitsrechtlicher Relevanz Erleichterungen bei der Datenverarbeitung durch eine Gemeinde vorgesehen werden können, beispielsweise die Datenaggregierung auf vier Haushalte oder die Darstellung einer auf 100m x 100m gerasterten Fläche im Kataster.[12] Hier wird zukünftig erheblich mehr (Vertragsgestaltungs-)Kreativität zwischen den Gemeinden und den Grundstückseigentümern erforderlich sein, wie Datenerhebung und Datenveröffentlichung in einem Leerstands- und Baulandkataster konsensual sichergestellt werden können. Datenschutz ist indessen nicht sakrosankt. Barrieren sind nicht naturgegeben oder gar alternativlos.
Raumbeispiel Italien: Möglicherweise wird die Frage des Schutzes Personen bezogener Daten obsolet, wenn dereinst eine Applikation oder andere Datendienste Planung und Liegenschaftsverwaltung steuern oder wenn Big Data auf Big Government trifft wie derzeit in Italien, wo die Verwaltung durch einen Einkommensmesser das konsumtive Ausgabeverhalten der Bürger überprüft und mit den Angaben in ihrer Steuererklärung abgleicht. Raumbeispiel Österreich: Österreich ist in der glücklichen Lage, dass viele Geodaten mit hoher Relevanz nicht nur für die Wertermittlung, sondern auch für Besteuerungszwecke im Sinne der Massenbewertung abrufbar sind.[13] Möglich ist eine kommunale Liegenschaftspolitik durch öffentlich zugängliche Register und Katasterinformationen, die flächendeckend gespeichert werden und ämterübergreifend abrufbar sind. Nur durch den Zugang zu Eigentümerinformationen ist Geodatenmanagement 4.0 realistisch, kann Boden- und Steuerpolitik zum Wohl der Allgemeinheit implementiert oder eine Massenbewertung rechtssicher und effizient durchgeführt werden.[14] Österreich ist dem Geodatenmanagement 4.0 zum jetzigen Zeitpunkt fraglos näher als Deutschland.
Geodatenmanagement durch Open (Geo) Data und Post Privacy
Die Vertreter der Post Privacy-Bewegung verweisen darauf, dass durch Google Street View oder Open Street Map und andere Privatanbieter der Geoinformationsbranche die Grenze zwischen Privatheit und Öffentlichkeit – zum Beispiel durch Open Database Lizenzen oder die Open Data Commons – ohnehin durchlässig(er) geworden ist. Daher soll zukünftig auch die Erhebung von sozialen und finanziellen Daten der Bürger im Interesse unseres Gemeinwesens erleichtert werden. Diese Debatte als Teil des Geodatenmanagements 4.0 sowie der Wirtschafts- und Steuerpolitik steht in Deutschland erst in den Anfängen. Die Open Data-Bewegung geht auf Sir Nigel Shadbolt zurück, neben Tim Berners-Lee der Mitbegründer des Open Data Instituts (http://theodi.org/). Open Data fokussierte zunächst weniger auf Geodaten als auf die Transparentmachung und Vereinfachung von Verwaltungsvorschriften. Die Schweiz war auf diesem Feld der Vorreiter. Die open-Bewegung geht von der Annahme aus, dass Teilung und ungehinderte Weitergabe von Daten als geistiges Gemeinschaftseigentum im Sinne von „Creative Commons“-Lizenzen zum Wohl aller Beteiligten erfolgreich(er) ist, letztlich allen Mitwirkenden Mehrwerte bringt und zu einer höheren Wertschöpfung beiträgt als bei Daten im ausschließenden Privateigentum nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.

Planungspartizipation in einer Stadt mit Open Data Portal: Das Raumbeispiel Berlin; zu revitalisierendes Teilstück des Parks am Gleisdreieck (Eigene Aufnahme, 2014)
Nicht ausgeschlossen ist, dass neben dem Open Data-Gedanken auch dem Post-Privacy-Ansatz zukünftig mehr Bedeutung zukommen wird. Post Privacy könnte im Ergebnis zum Verschwinden des Sacheigentums führen, mithin zum Raum als Gemein(schafts)eigentum, gleichsam zur (Wissens-)Allmende. Wahrscheinlich sind die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Eigentumsrechte und auch die Urheberrechte gar nicht das entscheidende Problem für ein Geodatenmanagement 4.0. Entscheidend dürften vielmehr ein strukturierter Geodatenzugang, Geodatenrecherchierbarkeit, Integrität und Verlässlichkeit dieser Daten sein. Essenziell ist die vertraglich gesicherte Verwendung der Geodaten durch Nutzer und Kunden, erst in zweiter Linie ist der Schutz des geistigen Eigentums (intellectual property) von Belang. Das Ziel ist im Komplex Open Geo Data wohl erreicht, wenn die Frage nicht mehr: „Open oder Closed Geo Data?“ lautet, sondern wenn die Vorteile überwiegen, indem eine bestimmte App oder ein Programm verwendet wird und die Frage der (Herkunft der) Daten – vor allem auch ihr Schutz – in den Hintergrund tritt.
Die Realität sieht, bislang jedenfalls, nicht selten anders aus: Wissen ist in den Kommunen vorhanden, kann und darf aber aus Datenschutzgründen nicht abgerufen werden. Nach wie vor gibt es erhebliche Grenzen und Chancen auch der politischen Beteiligung an Planungsprozessen und liegenschaftspolitischen Fragestellungen. Dies gilt für das Problemfeld des irreversiblen Verkaufs öffentlichen Grundstückseigentums („Filetgrundstücke“) zur Budgetkonsolidierung und Defizitreduzierung, für die Beteiligung an Stadtplanungsprozessen (vgl. Abb. 2), für die kommunale Doppik und ein haushälterisches Liegenschaftsmanagement. Insbesondere die Handlungsfelder Planungspartizipation, Grundstücksvergabe, Vermarktung, Bewertung im Sinne des flurstücksbezogenen Restbuchwertes sowie die sensible Schnittstelle Liegenschafts-, Planungs- und Umweltamt kann durch das Geodatenmanagement 4.0 optimiert werden.
Räumliche Potenzialanalyse durch Bauland-, Baulücken- und Brachflächenkataster
Rechtlich ist die Einrichtung eines Bauland-, Baulücken- und Brachflächenkatasters gemäß § 200 Abs. 3 BauGB auf Gemeindeebene jederzeit möglich. Zahlreiche Kommunen wie etwa die Stadt Bonn verfügen bereits über Kataster, die Potenziale für Geschoss- und Einfamilienhausbau aufzeigen. Zu berücksichtigen ist jedoch ein entscheidendes Detail im Gesetzestext des § 200 Abs. 3 Satz 2 BauGB: „(…) soweit der Grundstückseigentümer nicht widersprochen hat“. Dieses Widerspruchsrecht stellt das größte Problem für eine Geodaten gestützte Übersicht über Innenentwicklungspotenziale dar. Aus dem Beispiel Niedersachsen lässt sich lernen, dass die statistisch-technische Erfassung der Gebäudedaten nicht das Problem darstellt, etwa die Aufnahme und Speicherung von Adressen/Hausnummern im Einwohnermelderegister, denen keine Einwohnerdaten zugeordnet werden können, wodurch sich Leerstände ermitteln lassen. Indes erfasst bislang noch jede niedersächsische Gemeinde für sich. Ein interkommunaler oder gar regionaler Datenaustausch über ein revitalisierungsfähiges Leerstandspotenzial ist weder vorgesehen noch in jedem Fall erwünscht. Das Kardinalproblem ist das Kirchturmdenken der – beileibe nicht nur niedersächsischen – Gemeinden als „Ausfluss“ der Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG, welche dem Geodatenmanagement 4.0-Ansatz im Grunde widerspricht.
Zu den Aufgaben der Bauland-, Baulücken- und Brachgrundstückskataster zählen:
Erarbeitung von Nachnutzungs- und Verwertungszielen für brach liegende, unter- und fehlgenutzte, aber faktisch wiedernutzbare Grundstücke und Baulücken.
Zügige planerische Festlegung der Nachnutzungs- und Verwertungsziele; Klärung von Nutzungskonflikten und Erstellung von Grundstücksentwicklungskontrollberichten (Nutzungsbilanzierung).
Übertragung der für eine Revitalisierungsmaßnahme vorgesehenen Grundstücke einschließlich der damit verbundenen Eigentümerverantwortung durch Veräußerung an Dritte oder Kommunalisierung.
Integrierung der Revitalisierungsmaßnahme in ein planerisch abgesichertes Konzept zur Unternehmensansiedlung auf Gewerbegrundstücken und damit ggf. Generierung von Arbeitsplätzen.[15]
Herbeiführung eines Nutzungsartenwechsels im Falle von Sanierungsmaßnahmen auf zu rekultivierenden Grundstücken (Altlastenkataster mit Angaben über Vorbelastungen und Verunreinigungen der Pedosphäre; entsprechende Vorrecherchen).[16]
Aus dem Liegenschaftskataster, welches aus dem Liegenschaftsbuch (ALB) und der Liegenschaftskarte (ALK) besteht, werden Geobasisdaten gewonnen. Geobasisdaten sind nicht nur für die amtliche Bodenschätzung bedeutsam, sondern tragen außerdem den Bedürfnissen der Landesplanung, Bauleitplanung, Grundstückswertermittlung und dem Naturschutz Rechnung.[17] Koch nennt als Beispiele die digitale Flurkarte (DFK) in Bayern, mit der Gebäudekoordinaten ermittelbar sind, und die digitale Liegenschaftskarte Nordrhein-Westfalens.[18]
"Die Realität sieht, bislang jedenfalls, nicht selten anders aus: Wissen ist in den Kommunen vorhanden, kann und darf aber aus Datenschutzgründen nicht abgerufen werden. Nach wie vor gibt es erhebliche Grenzen und Chancen auch der politischen Beteiligung an Planungsprozessen und liegenschaftspolitischen Fragestellungen." - Prof. Dr. Fabian Thiel
Die Ergiebigkeit von Liegenschaftskatastern – insbesondere die Aussagekraft der Eigentümerübersichten – haben Epping et al. in einer großangelegten Studie bereits in den 1970er Jahren nachgewiesen.[19] Insbesondere ist der Landanteil der öffentlichen Hand an der Gesamtfläche Deutschlands größer als man annehmen mag.[20] Das Baulückenkataster informiert eine Kommune über den Siedlungsbestand und gibt potenziellen Investoren Hinweise darauf, auf welchen innerstädtischen Grundstücken nach §§ 30, 33 und 34 BauGB Baurecht besteht und auf welchen Grundstücken nicht gebaut werden darf. Es dient im Rahmen gemeindlicher Planungsmaßnahmen als (geo-)informationelle Grundlage und erfährt eine kontinuierliche Fortschreibung mittels geographischer Informationssysteme. Die Wiedernutzung (Revitalisierung) ist dann erfolgt, wenn mit einer Nachnutzung begonnen wurde.[21] Als Grundstückswiedernutzer kommen private Erwerber, Kommunen, Kreis und Land, interkommunale Verbände öffentlich-rechtlicher Art und Landesentwicklungsgesellschaften oder revolvierende Grundstücksfonds der Länder in Betracht. Hinzu treten private Entwicklungs-, Betreiber- und Immobiliengesellschaften und die Unternehmen des Bundes.[22]
Von der siedlungsgeographischen und siedlungsökologischen Warte ist folgende Systematisierung denkbar:
Allmendegrundstücke Zu diesen Grundstücken gehören größere unüberbaute Gebiete, die in der Regel öffentlich zugänglich sind oder der Aufgabenerfüllung öffentlicher Funktionen dienen. Zu nennen sind Markt, Spiel und Erholung. Die städtebauliche Ausweisung dieser Grundstücke erfolgt(e) meist unbewusst. Hierfür werden unterschiedliche Gründe der Freihaltung ins Feld geführt: Grundwasserschutzgebiete, landwirtschaftliche Grundstücke, spezielle Grundstückseigentumsverhältnisse (z. B. ehemalige Gleisanlagen; vgl. Abb. 2).
Bauerwartungs- und Siedlungsgrundstücke Bauerwartungsgrundstücke präsentieren sich als siedlungsökologisch in unüberbautem Zustand. Sie sind für eine zukünftige Inwertsetzung planerisch bereits geöffnet. Als dynamisch, d. h. „flächenkreislauffähig“, sind sie zu klassifizieren, weil sie sich in einem Stadium der Übergangsnutzung befinden. Siedlungsgrundstücke hingegen lassen sich vorrangig nach den Gebietstypen der §§ 2 bis 11 BauNVO gliedern.
Frei(raum)grundstücke Dies sind zusammenhängende, unüberbaute Grundstücke, die innerhalb eines Siedlungskörpers gelegen sind (z. B. Hochwasserschutzgebiete). Im Gegensatz zu Parks oder Allmenden unterliegen sie keiner bestimmten (projektierten) Nutzung und dienen deshalb allenfalls der Siedlungsstrukturierung und –Trennung. Die zukünftige Nutzung ist ungewiss. Der Anteil der Freiraumgrundstücke an der Gesamtsiedlungsfläche ist in der Regel klein.
Brachgrundstücke Brachgrundstücke entstehen dort, wo Gebäude abgebrochen werden und sich die Natur über einen längeren Zeitraum entwickeln kann.
Gängig ist gemäß Tabelle 2 folgende Typisierung von Brachgrundstücken, geordnet nach der Wahrscheinlichkeit ihrer baulichen Wiedernutzung[23]:

Tabelle 2: Typologie der Brachgrundstücksmerkmale
Im Rahmen der Unterscheidung städtebaulicher Brachgrundstückstypen ergibt sich folgende Übersicht, geordnet nach den jeweiligen informationellen Katasteraufgaben[24]:
Kategorie 1: Baulücken Katasteraufgaben: Klärung der Eigentumsverhältnisse und des baulichen Zustandes; Eruierung einer möglichen land- und forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Nutzung und der Möglichkeit der Schaffung neuer Raumkanten als Erholungsraum
Kategorie 2: Plätze Katasteraufgaben: Klärung der Eigentumsverhältnisse nebst der Raumstruktur; Prüfung der Grundstücksverwendbarkeit für eine temporäre (öffentliche) Zwischennutzung sowie
Kategorie 3: Großflächige Brachen
Katasteraufgaben: Klärung der Eigentumsverhältnisse und der Raumstruktur im städtebaulichen Kontext; Vorbereitung für die Festlegung einer extensiven Grundstücksgestaltung mit dem Ziel einer Renaturierung und Gliederung des Stadtgebietes und Aufwertung der Umgebung durch Grünflächen und Förderung der Artenvielfalt (urbane Biodiversität); Kompensationsgrundstücke für die städtebauliche Eingriffsregelung oder zum Aufbau eines „Öko-Kontos“ (Maßnahmenbevorratung in Verbindung mit Bebauungsplanung).
Kataster müssten zukünftig auch regionale Planungs- und Bodenmarktinformationen beinhalten. Raumordnungskataster erweisen sich als wesentlich für die Funktionsfähigkeit der Landes- und Regionalplanung.[25] Hierfür sind Geodaten, Daten aus Raumordnungskatastern und Daten aus Teilraumgutachten, regionalen Entwicklungskonzepten sowie standardisierten Landesentwicklungs- und Regionalberichten unerlässlich. Das Baulandkataster erlaubt über Lagekarten, Flurstücksnummern, Straßennamen und Grundstücksgrößen detaillierte Aussagen über jedes Grundstück. Zusätzlich ist durch Grundbucheinsicht der Eigentümer zu ermitteln.[26]
Analog zu Berlin, ist auch in Frankfurt am Main, der Stadt der Bodenordnung (Franz Adickes), ist der Umgang mit Grundstückseigentümern seit jeher problembehaftet. Heute sind praktisch alle gründerzeitlichen Quartiere der Stadt von einem Aufwertungsdruck betroffen. Ein abgeschlossenes Studienprojekt an der Frankfurt University of Applied Sciences hatte sich vor einigen Jahren mit dem Phänomen leer stehender Liegenschaften – Flurstücken und Gebäuden, die liegenschaftsrechtlich bedeutsam sind (vgl. § 9 Abs. 1 des hessischen Vermessungs- und Geoinformationsgesetzes, HVGG) – in öffentlichem Eigentum beschäftigt. Zielsetzung war es, eine Übersicht zu entwickeln, welches eine bürgeroffene Transparenz nach den Richtlinien der Verwaltung 4.0 sicherstellen sollte, die in einem herkömmlichen Liegenschaftskataster, auch nicht in ALKIS®, fehlt. Durch diese Transparenz des Katasters sollte die Einsicht für die Allgemeinheit gewährleistet sein.
Jene Janusköpfigkeit, bestehend aus dem öffentlichen Zugang und Liegenschaften in öffentlichem Eigentum, sollte den „Open Data“-Charakter des Projektes hervorheben. Die Genehmigung zur Verarbeitung und Veröffentlichung der Grundstücksbezogenen Daten kann in Frankfurt nur von der Stadtkämmerei im Benehmen mit dem Liegenschaftsamt erteilt werden. Die ALKIS®-Grunddaten wurden in Frankfurt zwar einmalig erfasst, aber nicht konsequent im GDI-System der Stadtverwaltung aktualisiert. Webers These von der Diskrepanz zwischen Wunschvorstellung und Realwelt[27] konnte in unserer empirischen Untersuchung nachdrücklich bestätigt werden. Informationen zu Baumängeln und weiteren Charakteristika der Gebäudegrundrisse, die Hinweise auf die Gründe für Leerstand liefern könnten, liegen nicht vor, sind nicht aktuell oder sind nicht transparent verfügbar. Eine Zusammenarbeit zwischen den Ämtern der Stadtverwaltung findet nur in Ansätzen statt. Selbst für behördeninterne Mitarbeiter – beispielsweise des Stadtplanungsamtes – ist der Zugriff auf die grundstücksbezogenen, v. a. Eigentümer relevanten (ALKIS®)-Grunddaten schwierig oder zumeist nur mit erheblichem Aufwand und Wartezeit realisierbar.
Derzeit wird an einer Reform des gesamten Frankfurter Liegenschaftsmanagements gearbeitet. Dabei wird auch über einen veränderten Aufgabenzuschnitt der beteiligten Ämter diskutiert. Vorrangig wichtig bei dieser Neuorganisation ist die Zentralisierung des Geodatenbestands, eine effiziente Orchestrierung der Ämter sowie eine Fortentwicklung der GDI, um den verwaltungsinternen Sekundärdatenbestand an Grundstücksinformationen zu aktualisieren. Ein Open Data-Portal am Beispiel Berlins oder ein Transparenzgesetz für die Gemeinden Hessens am Beispiel Hamburgs (HambTG vom 19.6.2012) könnte überdies helfen, die nicht Personen bezogenen Geo(basis)daten der hessischen Exekutive transparent der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu geben. Open Data hat Frankfurt noch nicht erreicht. Aussagen über den Zustand der Gebäude in öffentlichem Eigentum, zu Lage, Anbindung, baulichen und/oder Denkmal schützenden Besonderheiten, Eigentümerinformationen, zur tatsächlichen Nutzung, Flächenzuschnitt, Baujahr sowie zu möglichen Wieder- und Umnutzungsszenarien wären hierdurch erleichtert und erheblich effizienter (Verwaltung 4.0) als bislang möglich. "Ziel sollte sein, dass Liegenschaftsverwaltung und öffentliche Planungsträger bürgeroffener und „auf Augenhöhe“ miteinander agieren." - Prof. Dr. Fabian Thiel
Bewertung und Ausblick
Das Kardinalproblem einer jeden Katasterimplementation liegt in dem einem privaten Grundstückseigentümer eingeräumten Widerspruchsrecht, relevante Daten zu seinem Grundstück herauszugeben.[28] Das Datenschutzrecht ist in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG als Grundrecht fixiert. Zwar steht das Gewicht des informationellen Selbstbestimmungsrechts[29] des privaten Eigentümers nicht per se über den öffentlichen Interessen auf Auskunftserteilung und Datenherausgabe. In einem Abwägungsvorgang zwischen den Interessen des Eigentümers und den öffentlichen Interessen (Verhältnismäßigkeitsprüfung) ist über die Gewichtigkeit des öffentlichen Interesses auf Übermittlung der für eine Revitalisierung des Grundstücks erforderlichen Informationen zu entscheiden. Das Widerspruchsrecht des Eigentümers kann aufgehoben werden, wenn die Konkretisierung der Sozialbindung aus Art. 14 Abs. 2 GG nach der Verhältnismäßigkeitsprüfung das Überwiegen der Interessen des öffentlichen Planungsträgers ergibt.
Je eigentumsnäher, desto schwieriger die Datenerhebung, -verarbeitung und -veröffentlichung. Dies trifft auch auf Grundstücke in öffentlichem Eigentum zu. In der Praxis ist man von einem Kataster, das im Optimalfall bürgeroffen sein sollte – zumindest was öffentliches Grundstückseigentum anbelangt – noch sehr weit entfernt, nicht nur im Land Berlin. Der Vorteil eines solchen Katasters bestünde zweifellos darin, dass Grundstücke im Innenbereich durch Offenlegung der Lageinformation mobilisiert werden können. Dies beträfe etwa folgende Informationen: Welche Belastungen ruhen auf einem Grundstück? Gibt es eine Nutzungsbindung? Existieren Nießbrauchs- und soziale Belegungsrechte? Wer ist der gegenwärtige Grundstückseigentümer? Allerdings ist dabei auch zu hinterfragen, ob derart viel Offenheit überhaupt gewünscht bzw. erforderlich ist.
Das Geodatenmanagement und eine Katasterinfrastruktur eröffnen indessen vielfältige Möglichkeiten, das Internet der Dienste und Dinge durch geeignete Tools mit der Liegenschaftspolitik zu verschneiden. Sollte die Aufhebung des Widerspruchsrechts des Eigentümers im Grundstücksrevitalisierungseinzelfall befürwortet werden – was nur von Einzelfall zu Einzelfall geprüft werden kann – könnten die Gemeinden zeitgleich Brachgrundstücks- und Baulandkataster unter Zuhilfenahme von Geobasisdaten der mittlerweile zahlreich erprobten Geoinformationssysteme in Verbindung mit grundstücksstatistischen Datenbanken und dereinst möglicherweise mit Hilfe der Blockchain-Technologie implementieren. Jede Gemeinde müsste künftig als Verfahrenssubjekt des jeweiligen örtlichen Grundstücksmarkts ihr Recht auf Informationsteilhabe gemäß § 200 Abs. 3 BauGB gegen die Interessen der Grundstückseigentümer durchsetzen.[30]
Quellen
[1] Dose: Der informierende Staat. Information als Instrument staatlicher Steuerung. In: Walkenhaus/Machura/Nahamowitz/Treutner (Hrsg.): Staat im Wandel, 2006, S. 99-126.
[2] Dieterich et al.: Bodenmarktberichtssystem für die Bodenpolitik der öffentlichen Hand. Methodenhandbuch zur Erfassung und Dokumentation von Kaufpreisen in laufender Berichterstattung. Forschungsbericht, Bonn 1982.
[3] Hollwitz: Ein wohlgeordnetes Agrarstrukturverbesserungsgesetz im föderalen Deutschland, Diss., 2020, S. 608-610.
[4] Frick: Städtebau und Städtebaurecht, in: Festschrift für Schmidt-Eichstaedt, 2006, S. 74.
[5] Siehe die umfassende Defizitanalyse bei Koll-Schretzenmayr, Strategien zur Umnutzung von Industrie- und Gewerbebrachen, 2000, S. 102 ff.; Schmidt-Eichstaedt, Das Baulandkataster, 2000, S. 116 f. Ähnlich Güttler, Marktverhalten, Bodenpreisbildung, Planung, qualitative Faktoren, Instrumente der Bodenpolitik. In: Dieterich-Buchwald/Dieterich (Hrsg.), Neue Perspektiven des Bodenrechts, 1997, S. 81 f.
[6] Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR): ExWoSt-Informationen, Nr. 25/1, 2004, S. 7 ff.
[7] Landau: Bodenmanagement und Bodenmanagementbehörde. In: Merle, Krüger, Krämer und Kreuzer (Hrsg.): Festschrift für Joachim Wenzel zum 65. Geburtstag, 2005, S. 377 ff.
[8] „The Germans would not call their ‘Grundbuch’ a cadastre”. Siehe zur Bedeutung von Kataster und Grundbuch im Landmanagementsystem: Larsson: Land registration and cadastral systems, 1991 (Zitat auf S. 17).
[9] Hogrebe und Kruse: Deutschland 4.0. Industrie, Verwaltung, Standort, Wohlstand. Grundwerk zur „Verwaltung 4.0“ als Partner von „Industrie 4.0“ im Zeitalter des Internets der Dinge und der Dienste. Verlag für Verwaltungswissenschaft, Frankfurt am Main, 2014.
[10] Mäding: Liegenschaftspolitik, in: Hellmut Wollmann und Roland Roth (Hrsg.): Kommunalpolitik. Politisches Handeln in den Gemeinden. Bundeszentrale für politische Bildung, 2. Auflage, 1998, Bonn, 530-540.
[11] BVerfGE 65, S. 1 ff . – Volkszählungsurteil.
[12] Hermerschmidt: Geodaten als personenbezogene Daten. In: Martini, Thiel und Röttgen (Hrsg.:): Geodaten und Open Government – Perspektiven digitaler Staatlichkeit. Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Speyerer Forschungsberichte, 2014, Band 280, S. 81-91.
[13] Mansberger, Muggenhuber, Navratil, Twaroch und Wessely: Value-Describing Geo-Data as an Untapped Treasure for a new Mass Appraisal System in Austria. In: Hepperle et al. (eds.): Challenges for Governance Structures in Urban and Regional Development. European Academy of Land Use and Development, Zürich, 2015, S. 139-153.
[14] Prorok und Krabina: Der Weg zur Offenen Stadt – in 15 Thesen und fünf Schritten. In: dies. (Hrsg.): Offene Stadt. Wie BürgerInnenbeteiligung, BürgerInnenservice und soziale Medien Politik und Verwaltung verändern. Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien und Graz, 2012, S. 359-378.
[15] Deutscher Städtetag: Strategisches Flächenmanagement und Bodenwirtschaft, 2002, S. 10 f.
[16] Scholich: Flächenhaushaltspolitik, in: ARL, Handwörterbuch der Raumordnung, 2005, S. 312..
[17] Guhse: Kommunales Flächenmonitoring und Flächenmanagement, 2005, S. 169 ff.
[18] Koch: Datengrundlagen, in: ARL, Handwörterbuch der Raumordnung, 2005, S. 161; zu den Kartenwerken der Bundesrepublik: Korda: Bevölkerungsstruktur und Siedlungswesen. In: Korda (Hrsg.), Städtebau, 2005, S. 89.
[19] Grundlegend hierzu die Untersuchung von Epping: Bodenmarkt und Bodenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, 1977, S. 23.
[20] Duwendag/Epping: Wem gehört der Boden in der Bundesrepublik? 1974. In Niedersachsen stellt die öffentliche Hand mit einem Anteil von 12,5 % den größten Einzel-Grundstückseigentümer dar.
[21] Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR): Brachflächenrecycling und Flächenpotentiale, 2003.
[22] Deutsches Institut für Urbanistik: Flächenrecycling – Projektmanagement und Marketingstrategien, 2004.
[23] Verändert nach: Dieterich, Brachflächen als Entwicklungsressource. In: Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.): Städtebauliche Brachflächen und Flächenreaktivierung, 1986, 142 f.
[24] Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen/Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.): Zwischennutzung und neue Freiflächen, Städtische Lebensräume der Zukunft, 2004, S. 98.
[25] Hesse: Raumordnung und Landesentwicklung. Reformoptionen für ein tradiertes Politikfeld, 2006, S. 44 f.
[26] Schmidt–Eichstaedt: Das Baulandkataster, 2000, S. 32; Koll–Schretzenmayr: Strategien zur Umnutzung von Industrie- und Gewerbebrachen, 2000, S. 103.
[27] Weber: Prüfung der Datenqualität im amtlichen Liegenschaftskataster in Bezug auf ein erweitertes Anwendungsschema. Heft 41 der Schriftenreihe Fachrichtung Geodäsie der TU Darmstadt, Dissertation TU Darmstadt, 2013.
[28] Stüer: Der Bebauungsplan, 2006, Rn. 976.
[29] BVerfGE 65, S. 1 ff.
[30] So bereits die Forderung von Scholich: Flächenhaushaltspolitik. In: ARL, Handwörterbuch der Raumordnung, 2005, S. 311.
Zum Autor:

Prof. Dr. Fabian Thiel
Frankfurt University of Applied Sciences | Fachbereich 1 – Architektur, Bauingenieurwesen und Geomatik
Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Regensburg und Geographie an der Universität Hamburg, Promotion 2001 an der Universität Hamburg, Habilitation 2017 an der Justus-Liebig-Universität Gießen zum Thema „Legal Geography“. Berufliche Stationen u.a.: HIS Hannover, Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, CIM-IF Kambodscha. Von 2011-2016 Vertretungsprofessor für Immobilienwirtschaft und Immobilienbewertung an der Frankfurt University of Applied Sciences in Frankfurt am Main. Seit 2017 Privatdozent an der Universität Gießen, Institut für Geographie. Venia Legendi in Geographie. Seit dem 01.10.2018 Professor für Immobilienbewertung an der Frankfurt University of Applied Sciences. Dr. Thiel forscht und lehrt in den Bereichen nationales und internationales Eigentums-, Bau- und Planungsrecht, Immobilienbewertung, Bodenpolitik und Rechtsgeographie.
E-Mail: fabian.thiel@fb1.fra-uas.de
Private Homepage: www.fabian-thiel.de