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Es braucht eine Werkstatt „Liegenschaftskataster“

Ein Aufruf aus den Reihen der Initiative StadtNeudenken zur Beschleunigung der Umsetzung eines öffenlichen Liegenschaftskataster.


von Andreas Foidl



Liegenschaftspolitik und Transparenz, das passt aus meiner Sicht in Berlin noch nicht zusammen. Meinem Eindruck nach ist die letzten Jahre nicht viel passiert. Es lassen sich drei Meilensteine zur Thematik benennen.


Erstens: Der Umgang mit dem ehemaligen Blumengroßmarkt. Mit dem ersten erfolgreichen Konzeptverfahren in Berlin wurde durch den Senat de facto der Auftrag erteilt, mit Liegenschaften des Landes Berlin insgesamt anders umzugehen, Inhalte sprechen zu lassen und nicht den Kaufpreis.


Zweitens: Der Forderungskatalog der Initiative StadtNeudenken aus dem Jahre 2013, zweieinhalb Jahre später stellt den zweiten Höhepunkt dar.

Und drittens: Die gebotene Transparenz im Umgang mit öffentlichen, letztlich den Bürger*innen gehörenden Liegenschaften ist ein hohes Gut, leider bislang ohne ernsthafte Lösungsansätze seitens des Senats.


Das Konzeptverfahren Blumengroßmarkt als Startschuss


Der Startschuss in Sachen Konzeptverfahren war der Blumengroßmarkt – er war gleichzeitig ein Experimentierfeld. Ein Prozess im Prozess, wie wir das genannt haben. Dieser Prozess wurde unterschiedlich wahrgenommen, zum einen von innen, von der Berliner Großmarkt GmbH, explizit von mir in meiner damaligen Funktion als deren Geschäftsführer. Zum anderen von außen, von den am Prozess Beteiligten.


Der Prozess, den wir durchschreiten durften, lief sicherlich etwas sehr lang. Gründe dafür waren u. a. die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und die Neubesetzung der Leitung des Wirtschaftsresorts im Senat. Zudem waren mehrere Gremien mit der Prüfung der eingereichten Konzepte und der Vergabe der Grundstücke befasst, nicht nur der Aufsichtsrat der Berliner Großmarkt GmbH, sondern auch die eigens für dieses Verfahren gegründete AG Blumengroßmarkt: ein Beratungsgremium, besetzt durch die zuständigen Senatsverwaltungen, einem Vertreter der Kreativwirtschaft, die zuständigen Bezirksverwaltungen und die Grundstückseigentümer*innen. Der Liegenschaftsfonds als Vorgänger der Berliner Immobilien GmbH (BIM) und Teilgrundstückseigentümer war ebenfalls aktiv in den Prozess involviert. Gekennzeichnet war der Prozess davon, dass alles, was getan wurde, immer gemeinsam nach außen getragen und gezeigt wurde.


Schon der Start des Ausschreibungsverfahrens macht den prozessualen Charakter des Verfahrens deutlich. Das Exposé für das Verfahren brachte lediglich zum Ausdruck, dass eine Mischung aus Kunst, Kultur, Kreativwirtschaft, bezahlbarem Wohnen und auch gerne andere dazu passende Formate gefordert werden. Erst mit Vorlage der Bewerbungen, wurde entlang der Vorschläge das Nutzungsprofil konkret formuliert und den Investor*innen zur Nachbearbeitung ihrer jeweiligen Konzepte übermittelt. Dazu gehörte auch die Bereitstellung der Bewertungsmatrix. Learning-by-doing war die Devise.


Ganz anders wurde der Prozess von außen wahrgenommen, von der Bieter*innenseite. Britta Jürgens, von Deadline Architekten, zeichnete damals ein eindrucksvolles Bild. Es zeigt die Prozessschritte, die die Bieter*innen durchlaufen mussten, sowohl die inneren wie die äußeren, mit der Bank, mit den Auslobenden, mit dem Senat und mit der Arbeitsgruppe. Auch dieses Bild zeigt den Mut zum Prozess, in dem entlang der ganzen Entscheidungskette immer wieder die Öffentlichkeit in das Verfahren einbezogen wurde.




Darstellung des Prozesses des Konzeptverfahrens aus Sicht des Autors, damals Geschäftsführers der Berliner Großmarkt GmbH. © Andreas Foidl




Darstellung des Prozesses des Konzeptverfahrens aus Sicht einer Beteiligten. © Britta Jürgens / Deadline Architekten


Ein weiteres wichtiges Element des Konzeptverfahrens zum Blumengroßmarkt war die Einrichtung von Begegnungsräumen, die parallel geschaffen wurden. Etwa die Bauhütte, mit Vernetzungsaktionen, aber auch für Feiern. Alle Veranstaltungen standen immer im Bezug zur Entwicklung des Blumengroßmarkts, öffentlich, transparent, zugänglich und immer auch mit Herz. Diese Kombination macht solch ein Projekt aus.



Die Bauhütte am Blumengroßmarkt war schon während des Verfahrens zentraler Kristallisationspunkt. ©Matthew Griffin


Als letztem Verfahrensschritt haben wir festgeschrieben, ein kooperatives Planungsverfahren durchzuführen. Die Beteiligten mussten miteinander die Architektur des Areals entwerfen und weiterentwickeln. Und nicht zuletzt mussten sich die Investor*innen in einer Art Werkstatt der Öffentlichkeit präsentieren, bevor die Entscheidung im Aufsichtsrat der Berliner Großmarkt GmbH fiel. Unter anderem mussten die Bewerber*innen in einer Schule in Kreuzberg ihre Projekte präsentieren und sich den Fragen der interessierten Öffentlichkeit stellen.


Viel mehr Transparenz geht kaum, wenn es heißt, öffentliche Liegenschaften einer neuen Nutzung zuzuführen. Das erfordert Mut, auch Fehler zu erlauben. Nicht alles lief immer rund, aber am Ende wurde ein für alle Beteiligten gutes Ergebnis erreicht. Dass im Verfahren viel richtig gemacht wurde, zeigt auch die Kontaktaufnahme durch verschiedene Städte, die sich bis heute für das Verfahren interessieren. Das Konzeptverfahren zum Blumengroßmarkt wird noch immer als Referenzbeispiel aus Berlin genannt. Das freut einen natürlich, macht aber auch nachdenklich. Während das Verfahren als Referenz in anderen Kommunen und Städten aufgenommen wurde und Anregung für innovative Verfahren gab, gibt es in Berlin keine erwähnenswerten neueren Vorhaben zum Thema Konzeptverfahren und offenen Umgang mit Liegenschaften. Wünschenswert ist, dass dies bald der Vergangenheit angehört und das der Blumengroßmarkt in einem Atemzug mit vielen anderen Berliner Verfahren genannt wird. Neue Verfahren, die durchaus auch ein Stück besser sein können als der Blumengroßmarkt.



Die Beteiligten kommen im kollaborativen Planungsverfahren zusammen. © Matthew Griffin


Dass andere Städte mitunter mutiger als Berlin vorgehen, soll ein Beispiel aus Stuttgart zeigen, in das die Belius GmbH involviert ist. Die Entwicklung des Züblinareals (Leonhardsvorstadt) im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart. Es wurde ein Planspiel durchgeführt, ein sehr umfangreiches, sehr ausgedehntes Beteiligungsverfahren für Menschen, die dort wohnen, leben, arbeiten. In das gesamte Verfahren – das Objekt soll später im Erbbaurecht vergeben werden – wird die Öffentlichkeit involviert. Das Verfahren ist eine Weiterentwicklung dessen, was wir hier am Blumengroßmarkt erlebt haben. In Stuttgart ist unter anderem geplant, einen Marktplatz der Ideen zu etablieren, wo sich Investor*innen und Interessierte begegnen können und vielleicht sogar Gemeinschaften bilden. Mit diesem sehr offen und sehr innovativen Prozess zeigt Stuttgart, wie der Umgang mit dem Thema Liegenschaften weitergedacht werden kann.


Die Werkstatt zur Weiterentwicklung der Konzeptverfahren in Berlin im Januar 2019 schürte die Hoffnung, dass ausgehend vom Verfahren am Blumengroßmarkt und anhand von Referenzbeispielen aus anderen Städten nunmehr auch die Verwaltung in Berlin verstanden hat, Liegenschaften anders, besser, zugänglicher zu behandeln. Das blieb bis heute leider eine Hoffnung. Konkrete Ergebnisse blieben aus und die zuständigen Senatsverwaltungen fühlten sich nicht zuständig bzw. lassen bis heute konkrete Ansätze für einen Wandel hin zu mehr Verfahrenstransparenz vermissen. Ein Armutszeugnis.


Der Forderungskatalog von 2013 – konkrete Vorschläge warten auf Umsetzung


Schon 2013 hat der Runde Tisch nach einem Vorschlag der Initiative StadtNeudenken einen Forderungskatalog vorgelegt. Darin sind etliche konkrete Forderungen zum Thema Transparenz enthalten, von denen hier einige hervorgehoben werden sollen.


Gleich die erste Forderung war die Neuentwicklung einer Geschäftsordnung für Portfolioausschuss und Steuerungsausschuss, die durch entsprechende Beschlussfassung durch den Senat oder durch das Abgeordnetenhaus eingeführt werden sollte. Die Etablierung eines Beratungsgremiums (Arbeitstitel: „Rat der Räume“), welches die Mitglieder des Portfolioausschusses beraten sollte, war die zweite Forderung. Die Einrichtung dieses Gremiums und damit eine verbesserte Gremientransparenz steht bis heute aus. Die fünfte Forderung betrifft das Thema Vergabe. Stadtentwicklungspolitische Zielsetzungen sind im Rahmen behutsamer, dialogischer Vergabeverfahren zu entwickeln, im sogenannten Konzeptverfahren


Auch der Blick in die Protokolle der einzelnen Sitzungen des Runden Tisches Liegenschaftspolitik zeigt, dass die Forderung nach einer transparenten Liegenschaftspolitik ein Dauerbrenner beim Runden Tisch war. Schon wenige Beispiele verdeutlichen dies: 2016 wurde das Thema Bestandsanalyse / Offenes Kataster aufgerufen, im September 2018 sowie im März 2019 stand Transparenz im Umgang mit Liegenschaften auf dem Programm.


Man könnte sagen, in Bezug auf die Erfüllung der genannten Forderungen wurde der Runde Tisch immer wieder mit homöopathischen Dosen versorgt. Vielleicht, um ihn ruhig zu stellen, möglicherweise sogar bewusst. Im Ergebnis ist in Sachen Offenlegung des Grundstücksportfolios des Landes Berlin nicht wirklich etwas passiert.


Der Forderungskatalog aus dem Jahre 2013 ist nun gut 7,5 Jahre alt, hat an Relevanz nicht verloren und durchlebt seine zweite Legislaturperiode. Ein schlechtes Ergebnis.

Betrachtet man nun die Konzeptverfahren, die zurzeit insbesondere von der BIM auf den Markt gebracht werden, stellt man fest, dass diese relativ gleich ausgeprägt sind, ohne auf die jeweiligen Orte konkret zu reagieren. Zwar unterscheiden sich die Straßennamen auf den Exposés, eine ortsspezifische Behandlung sucht man allerdings vergebens. Besonders bedauerlich ist, dass die Verfahrensbeteiligten u. a. sehr detaillierte Planungsunterlagen einreichen müssen. Nach detaillierter Betrachtung einiger Exposés der BIM lässt sich feststellen, dass das, was die Bewerber*innen der BIM vorlegen müssen einer Vorplanung gleichkommen, die einem Aufwand in fünfstelliger Höhe gleichkommt. Es bedarf darüber hinaus valider Eigenkapital- und Fremdkapitalnachweise. Das erinnert an zurückliegende Verfahren, die Interessierte, die sich diesen Aufwand nicht leisten konnten, von Beginn an ausschlossen. Die Einstiegshürde wird damit weiterhin sehr hochgelegt. Zusammengefasst fehlt es an Mut, Konzeptverfahren zu öffnen, sie transparent und niederschwellig zu betreiben. Der Weg zu solch zugänglichen Verfahren scheint noch lang.


Der Dritte Meilenstein ist noch gar nicht in Sicht. Es betrifft die Transparenz der Berliner Liegenschaftspolitik. Die Forderung ist nicht neu und findet sich auch in den Forderungen zum Transparenzgesetz wieder: ein offenes, für jede und jeden sichtbares Liegenschaftskataster. Und letztlich auch eine offene prozessuale Gestaltung der Zuordnung von Liegenschaften – der sogenannten Clusterung –, welche tatsächlich in ein Konzeptverfahren geführt werden und welche nicht. Und vor allem aus welchen Gründen sie im Konzeptverfahren vergeben oder anders verwendet werden sollen. Die Zeit für ein offenes Liegenschaftskataster ist nicht nur reif, sie ist längst überfällig. Spätestens zu Beginn der kommenden Legislaturperiode muss es auf die Tagesordnung kommen und zwar mit Ernsthaftigkeit und nicht als Beschwichtigung. Zumindest, wenn die politischen Akteure weiterhin von einer sehr professionell und engagierten Zivilgesellschaft ernst genommen werden will. Alle Beteiligten sollten daran mitarbeiten und gewillt sein, dieses Thema konzentriert aufzunehmen und zielführend eine Aufbau- und Ablauforganisation zu entwickeln.


Um dies vorzubereiten und die letzten verbleibenden Hürden gemeinsam zu nehmen, wäre eine weitere Werkstatt des Runden Tisches ein geeignetes Vehikel. Zwei Werkstätten – zum Erbbaurecht und zum Konzeptverfahren – wurden vom Runden Tisch bereits erfolgreich durchgeführt und haben zumindest den Kenntnisstand der Akteure angeglichen, der gemeinsamen Austausch befördert und gute Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung der Themen gebracht. Eine Werkstatt zum öffentlichen und nicht-öffentlichen Liegenschaftskataster Berlin und zum Prozess des Umgangs mit den Liegenschaften des Landes Berlin könnte den nach 7,5 Jahren dringend nötigen Anschub für die überfällige Erfüllung der Forderung des Runden Tisches leisten.


 

Über den Autor


Andreas Foidl ist Mitglied des Lenkungskreises der Initiative StadtNeudenken. Nach Engagements in der Berliner Flughafen Gesellschaft (Geschäftsführung) und der Specker Bauten AG (Finanzvorstand) war er zwischen 2005 und 2010 Alleingeschäftsführer der Berliner Großmarkt GmbH. Seit Januar 2016 ist er Senior Partner in der Belius GmbH.

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