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Im Gespräch mit Senator Scheel zum Bodenfonds

  • kalinaagova
  • Aug 2, 2019
  • 5 min read

Die Initiative Stadtneudenknen interviewte den Senator für Stadtentwicklung und Wohnen zum Thema Ankaufspolitik und zur Entwicklung von Strategien zum Ausbau des landeseigenen Liegenschaftsbestands im Sinne einer aktiven Liegenschaftspolitik.


Foto: © Ben Gross


StadtNeudenken: Mit der Gründung der landeseigenen Bodenfonds GmbH und dem Bereitstellen von Mitteln im Haushalt 2020/21 wurde die Möglichkeit geschaffen, mehr Grundstücke und Liegenschaften zu erwerben. Mit Blick auf die leidvolle Geschichte des Ausverkaufs von Liegenschaften in Berlin in den letzten 30 Jahre, wo sehen sie die Möglichkeiten einer dauerhaften strategischen Liegenschaftspolitik, die den Ankauf und das Halten auch über Legislaturperioden hinweg durchhalten kann?


Scheel: Es ist das gemeinsame Ziel dieser rot-rot-grünen Koalition, die Liegenschaftspolitik des Landes Berlin gemeinwohlorientiert zu gestalten. Lange Jahre wurde mit dem Grund und Boden dieser Stadt nicht sorgsam umgegangen, viele Filetgrundstücke gingen für regelrechte Schleuderpreise an Private. Seit dem Jahr 2013, mit dem Konzept der transparenten Liegenschaftspolitik, gibt es eine schrittweise Abkehr von diesem Ausverkauf der Stadt. Mit dem Sondervermögen für Daseinsvorsorgegrundstücke (SODA) wurde 2017 einen weiteren relevanten Baustein geschaffen. Das Abgeordnetenhaus hat sich im Mai 2019 zudem zu einer grundsätzlichen Vergabe von Grundstücken im Erbbaurecht bekannt. Veräußerungen sind nur noch für kleine, nicht selbständig nutz- oder bebaubaren Splitterflächen vorgesehen, die für keine kommunalen Aufgaben der Daseinsvorsorge benötigt werden. Auch hier prüfen wir sehr genau. Das Lande Berlin hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und gibt seine landeseigenen Flächen nur noch in absoluten Ausnahmefällen aus der Hand.


StadtNeudenken: Mehrere Schweizer Kantone, u.a. Basel Stadt, haben Gesetze erlassen, mit denen der Verkauf kommunaler Liegenschaften grundsätzlich ausgeschlossen wird (bzw. nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig ist) und die Vergabe von Grundstücken ausschließlich mittels Erbbaurecht erfolgen soll. In Deutschland gibt es eine solche Gesetzesinitiative bisher nicht. Halten Sie es für richtig – auch im Sinne einer größeren Akzeptanz für das Instrument Erbbaurecht – in Berlin ein solches Gesetz zu erlassen? Und könnte dies das bodenpolitische Pendant zum Mietendeckel sein, wo doch die Bodenpreise die Hauptursache für den rasanten Anstieg der Mieten sind?


Scheel: Ich halte es für wichtig, unsere Strategie langfristig abzusichern und die Verfügungsgewalt über den nicht reproduzierbaren Boden Stück für Stück wieder zurückzugewinnen. Daher brauchen wir Instrumente, um die Bodenpolitik unserer Stadt nicht den politischen Farbenspielen zu überlassen. Eine echte Bodenstiftung oder ein Bodensicherungsgesetz mit klarem Auftrag könnte ein Weg sein. Am liebsten wäre mir aber eine verfassungsrechtliche Absicherung über eine Bodensicherungsklausel. Fakt ist: Grund und Boden stellen einen eigenen Wert in der Stadt dar und müssen deshalb innerhalb des städtischen Wirtschaftssystems besonders Berücksichtigung finden. Für die Verwendung des Bodens als kommunale Ressource ist eine enge Verzahnung zwischen Stadtentwicklung und Liegenschaftspolitik notwendig. Stadtentwicklung gestaltet den konzeptionellen Rahmen, Liegenschaftspolitik operationalisiert und ermöglicht die Ausgestaltung dieses Rahmens mit vielfältigen Ansätzen (Clusterung, SODA, Bodenfonds). Wir wenden in Berlin das bewährte Planungssystem der Flächennutzungs- und Stadtentwicklungsplanung an, dass die stadtentwicklungsplanerischen Schwerpunkte und Zielsetzungen für unsere Stadt formuliert. Dabei müssen wir unterschiedliche Nutzungen und Nutzer gleichzeitig im Blick behalten, um mögliche Konflikte zu vermeiden oder frühzeitig aufzulösen. Denn wie Sie ganz richtig feststellen: Die rasant gestiegenen Bodenpreise machen einen klugen Umgang mit den vorhandenen Flächen notwendig. Dabei geht es in erster Linie darum, die kommunalen Kernaufgaben der Daseinsvorsorge, wie insbesondere preisgünstige Wohnungen, soziale und verkehrliche Infrastruktur, zu stemmen. Nutzungen können zum Beispiel gestapelt werden, wie beim Thema Supermarktüberbauung, um insbesondere knappe, innerstädtische Flächen effektiv auszunutzen und gleichzeitig keine weiteren Flächen zu versiegeln. Für die effektive und kluge Nutzung der vorhandenen Flächen stellen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen und die Bezirke informelle und formelle Planungen auf, beispielsweise Quartierskonzepte, Bebauungspläne oder Rahmenplanungen. Diese werden unter intensiver Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in einem breit gefächerten Angebot an Partizipationsprozessen erarbeitet. Mit den Leitlinien Bürgerbeteiligung haben wir vereinbart, wie Partizipation zu räumlichen Projekten in Berlin gut gelingen kann.


„Es wird […] Aufgabe der nächsten Legislatur sein, aus der transparenten eine partizipative Liegenschaftspolitik zu machen.”

Sebastian Scheel, Senator für Stadtentwicklung


StadtNeudenken: Bei der Berliner Immobilien Management GmbH (BIM) bündeln sich eine Vielzahl von Aufgaben im Zusammenhang mit den landeseigenen Bodenreserven, neben der Bodenfonds GmbH als Ankaufsgesellschaft verwaltet sie das SODA, das SILB und das Treuhandvermögen des Liegenschaftsfonds, ist verantwortlich für Konzeptverfahren und Erbbaurechtsvergaben. Mit dem Ankauf und der Vergabe von Grundstücken werden bisher allerdings hauptsächlich die Bedarfe der Verwaltungen und der landeseigenen Gesellschaften bedient, private Akteure, z.B. Genossenschaften, können sich am dringend benötigten Wohnungsneubau nicht beteiligen, weil ihnen sprichwörtlich der Boden fehlt. Können Sie sich im Sinne einer transparenten Liegenschaftspolitik vorstellen, einen „Berliner Bodenbeirat“, z.B. als Stiftung öffentlichen Rechts, zu installieren, der paritätisch besetzt mit Parlamentariern, Vertretern aus Kultur, Sozialem, Wohnungsbau und der engagierten Zivilgesellschaft (z.B. vom Runden Tisch Liegenschaftspolitik) Kriterien für Grundstücksankauf und -vergabe entwickelt, Vorschläge zum Erwerb macht und die Ankaufspolitik (mit-)kontrolliert?


Scheel: Mit dem Bodenfonds wollen wir genau diesen Weg gehen. Dort soll mit Hilfe eines Beirates die Steuerung unserer Ankaufsplanungen erfolgen. Es ist auch richtig, dass unsere bisherigen Routinen und Abläufe bei der Grundstücksvergabe und die Konzeptionierung der Verfahren zu verwaltungszentriert sind. Es wird daher Aufgabe der nächsten Legislatur sein, aus der transparenten eine partizipative Liegenschaftspolitik zu machen. Richtigerweise geht es momentan in erster Linie darum, diejenigen besonders zu unterstützen, die gemeinwohlorientiert agieren und es derzeit auf dem angespannten Grundstücksmarkt schwer haben. Dazu zähle ich die Genossenschaften, aber auch soziale Träger, Kulturschaffende und kleine Läden oder Handwerksbetriebe. Wir müssen die Berliner Mischung erhalten, wenn wir auch in Zukunft in einer lebendigen, nutzungsgemischten und spannenden Stadt leben wollen. Viel Handlungsspielraum haben wir dabei nicht, denn durch den Ausverkauf der letzten Jahrzehnte, haben wir nur noch wenige landeseigene Grundstücke zur Verfügung.

Das Interesse an genossenschaftlichem Eigentum ist groß. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat daher Förderprogramme für Genossenschaften und soziale Träger aufgelegt, die bei der Finanzierung von Bauvorhaben helfen. Ergänzend werden Grundstücke bereitgestellt, z.B. in den 16 neuen Stadtquartieren. Für verfügbare Grundstücke mit offener Nutzungsperspektive suchen wir das beste Konzept. Hierbei wird 2021 ein zivilgesellschaftlicher Beirat tätig werden. Interessierte Akteure und der Beirat werden darüber hinaus Unterstützung durch eine Koordinierungsstelle Konzeptverfahren erhalten.


Mit der Berliner Bodenfonds GmbH haben wir ein neues Instrument zur Verfügung, das es uns als Land ermöglicht, den kommunalen Bodenbesitz zu vermehren, um kurz- und mittelfristig, aber auch mit einem gewissen Blick in die Ferne, für unsere stadtentwicklungsplanerischen Aufgaben über mehr Gestaltungsspielräume zu verfügen. Bei den zu bewältigenden Aufgaben und dem noch vorhandenen knappen Portfolio an kommunalen Flächen ist dies ein zentraler Schritt.


Auch den Liegenschaften des Bundes, insbesondere der Deutschen Bahn und des Bundeseisenbahnvermögens, kommt in der künftigen Stadtplanung besondere Bedeutung zu. Deshalb ist es entscheidend, dass wir uns als Land Berlin hier einen Erstzugriff sichern können. Es ist mein Ziel, dass öffentliches Eigentum öffentlich bleibt. Auch hierbei sehe ich nicht ausschließlich den Wohnungsbau im Fokus, sondern im Sinne einer integrierten Stadtentwicklung auch alle Folgenutzungen, bis hin zu Ersatz- und Ausgleichsflächen oder wohnortnahen Grünflächen. Beim verbilligten Erstzugriff auf Grundstück von öffentlichen Eigentümern darf es keine Rolle spielen, ob die Grundstücke kommunalen Wohnungsbaugesellschaften oder per Erbbaurecht anderen gemeinwohlorientierten Nutzern zur Verfügung gestellt werden sollen. Hier muss der Bund dringend nachsteuern.


StadtNeudenken: Boden wird auch politisch weiterhin als Vermögen und weniger als gesellschaftliche Ressource – „die uns allen gehört“ – behandelt. Wie stellen sie sich vor, die stadtentwicklungspolitische Bedeutung von landeseigenem Boden dauerhaft gegenüber haushalterischen Interessen abzugrenzen? Gehört Bodenpolitik nicht in die Zuständigkeit der Stadtentwicklung?


Scheel: Im Senat und besonders auch mit der Senatsverwaltung für Finanzen sind wir in einem engen und guten Verständigungsprozess, um das Zusammenspiel von Stadtentwicklung und Liegenschaftspolitik gemeinwohlorientiert und wirksam zu gestalten. Die Berliner Bodenfonds GmbH stellt den Ankauf langfristig auf solide Füße, vorausgesetzt, dass auch über 2021 hinaus eine gute und kontinuierliche finanzielle Ausstattung für den Bodenfonds im Haushalt bereitgestellt wird. Dafür haben wir den Grundstein gelegt, auf den es in der nächsten Legislaturperiode weiter zu bauen gilt. Alles, was wir jetzt schon dafür tun können, wollen und werden wir tun.



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