Ein Bodenfonds muss mehr sein als eine Ankaufgesellschaft
- kalinaagova
- Dec 20, 2019
- 7 min read
Die Initiative StadtNeudenken interviewte die Staatssekretärin für Stadtentwicklung und Wohnen zum Thema Miet- und Wohnkataster.
Ein Impuls von Daniela Brahm am 32. Runden Tisch Liegenschaftspolitik, 06. November 2020.

Der Bodenfonds hat Konjunktur, zumindest in Berlin hört man den Begriff immer häufiger. Das landeseigene Sondervermögen Daseinsvorsorge, kurz SODA[1], soll zu einem Bodenfonds ausgebaut werden und kürzlich wurde eine Bodenfonds GmbH[2] zum Ankauf von Grundstücken gegründet. Was aber ist ein Bodenfonds überhaupt, und viel wichtiger: was könnte er für Berlin sein? Das zu klären, ist aktuell die wichtigste liegenschaftspolitische Aufgabe für das Land Berlin. Sie kommt einer Weichenstellung gleich, die klären wird, wie wir dauerhaft mit der gesellschaftlich so entscheidenden Ressource Boden umgehen werden.
Richtig Konjunktur hat ein möglicher Bodenfonds für Berlin seit der vom Runden Tisch Liegenschaftspolitik Ende 2017 durchgeführten Erbbaurechtswerkstatt[3]. Die Teilnehmenden der Werkstatt aus Politik, Verwaltung, Wohnungswirtschaft und Zivilgesellschaft empfahlen die Etablierung eines Berliner Bodenfonds, der Grundstücke ankauft, diese im Erbbaurecht zur Nutzung vergibt und dessen Einnahmen einer revolvierenden Verwendung zugeführt werden sollen. Dabei soll der Bodenfonds in seiner Struktur sowohl die kommunale als auch die zivilgesellschaftliche Mitverantwortung abbilden. Die Weiterentwicklungsmöglichkeiten des SODA zu einem Bodenfonds solle ebenso wie mögliche andere Rechtsformen geprüft und ein Konzept für eine Beteiligung aus Zivilgesellschaft und Erbbaurechtsnehmern an der Entscheidungsstruktur des Bodenfonds entwickelt werden, so zu lesen in der Dokumentation der Werkstatt. Denn entscheidend für eine vermehrte Vergabe zur Nutzung mittels Erbbaurecht durch das Land Berlin ist, in wessen Zuständigkeit die Grundstücke liegen und ob die zuständige Institution langfristig ein verlässlicher Partner sein wird.
Auf der Veranstaltung „Der Boden gehört uns allen! Für einen Berliner Bodenfonds“ 2018 im Rahmen des Urbanize Festivals[4], die erneut mit intensiver Beteiligung von Vertreter*innen aus der Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft stattfand, wurde deutlich, dass landeseigenes und kommunales Bodeneigentum in viele unterschiedliche Zuständigkeiten aufgeteilt ist. Es gibt ihn nicht, den einen großen Topf, in dem das öffentliche Berliner Bodeneigentum liegt, und einen solchen Topf herzustellen, erscheint erstmal unmöglich. Zwar ist über die Hälfte des Berliner Bodens öffentliches Eigentum[5], der weitaus größte Teil davon aber liegt in der Zuständigkeit der Fachverwaltungen der Bezirke und ist als Wald-, Verkehrs, Wasser-, Erholungs- oder Freifläche definiert. Das für eine aktive und gestaltende Stadtentwicklung verfügbare Bodeneigentum stellt lediglich einen sehr geringen Teil dar. Die Berliner Immobiliengesellschaft (BIM)[6] verwaltet ca. 2% des Berliner Bodens, ein erheblicher Teil davon wiederum sind Flächen für die Verwaltungen im Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin (SILB) oder Restflächen aus dem Treuhandvermögen des ehemaligen Liegenschaftsfonds. Flächen mit Potential zur Daseinsvorsorge und Gestaltung einer aktiven Standentwicklungspolitik beschränken sich weitestgehend auf weniger als 1% des Berliner Bodens und liegen in dem bereits erwähnten, ebenfalls von der BIM verwalteten Sondervermögen Daseinsvorsorge, von dem es heißt, man könne es vielleicht zu einem Bodenfonds weiterentwickeln.
„Flächen mit Potential zur Daseinsvorsorge und Gestaltung einer aktiven Standentwicklungspolitik beschränken sich weitestgehend auf weniger als 1% des Berliner Bodens…“
Daniela Brahm
Diese unterschiedlichen Zuständigkeiten machen deutlich, dass die Idee und Strukturierung eines Berliner Bodenfonds eng verknüpft sein sollte mit einer umfassenden bodenpolitischen Strategie, die für alle öffentlichen Bodeneigentümer gleichermaßen gilt. Dem Beispiel der Stadt Basel[7] folgend, könnte dies ein Gesetz leisten, das den Verkauf von Liegenschaften ausschließt und die Erbbaurechtsvergabe als Regelvergabe festlegt – definierte Ausnahmen eingeschossen. Denn nur wenn alle öffentlichen Akteure dem erlebten Zickzackkurs von Ausverkauf und Ankauf entschieden entgegentreten, kann eine dauerhafte Neuausrichtung der Bodenpolitik gelingen.
Anfang 2019 gab der Senat mit dem Konzept „Bodenpolitischen Strategie und Ergänzung des bestehenden Regelwerks für die Liegenschaftspolitik“[8] einen Überblick über das Vorgehen der jetzigen Regierung, in dem das bereits 2017 gegründete Sondervermögen Daseinsvorsorge (SODA) erstmals als Bodenfonds bezeichnet wird und weiterentwickelt werden soll. Dass die Grundstücksvergabe grundsätzlich mittels Erbbaurechts erfolgen soll, wird hier ebenfalls erstmals mit Deutlichkeit formuliert.
Wie unterscheidet sich das SODA von einem möglichen Berliner Bodenfonds? Wenn man den Auftrag aus der Erbbaurechtswerkstatt ernst nimmt, müsste man zunächst prüfen, welche Rechtsform möglich wäre, wenn er ein Eigenbetrieb mit politisch formuliertem Auftrag und ausreichend Personal sein soll. Anders als das SODA, das selbst nicht-rechtsfähig und bei der BIM angegliedert ist, wäre hier beispielsweise eine Stiftung öffentlichen Rechts denkbar.
Laut SODA Errichtungsgesetz sollen Grundstücke zur Daseinsvorsorge erworben und gehalten werden, gemeint sind damit Grundstücke, die absehbar benötigt oder aus strategischen Gründen gehalten werden sollen. Die Berliner Landeshaushaltsordnung[9] stellt jedoch Grunderwerb immer unter einen Zweckvorbehalt, das heißt, er muss durch den Bedarf einer der Verwaltungen begründet werden. Ankauf auf Vorrat oder Ankauf zum Zwecke der Erbbaurechtsvergabe an private Dritte, also ein beständiger strategischer Flächenerwerb, wie ihn ein Bodenfonds leisten können sollte, ist nicht vorgesehen. Solch ein Flächenerwerb sollte zudem mit einer strikten Veräußerungsbeschränkung verbunden werden. Das SODA aber sieht kein Verkaufsverbot vor, aus dem SODA können Grundstücke ausdrücklich auch wieder entnommen werden.

Gegenüberstellung des Ist-Zustands des Sondervermögens Daseinsvorsorge und Forderungen an die Konstitution eines neuen Bodenfonds. Abbildung: Daniela Brahm
Wie bei allen Vermögensfragen, ist auch beim SODA eine zivilgesellschaftliche Mitwirkung nicht vorgesehen, die Aufsicht führt die Senatsverwaltung für Finanzen. Eine zivilgesellschaftliche Beteiligung, beispielsweise in Form eines Beirats, sollte bei einem Berliner Bodenfonds aber zwingend etabliert werden. Ein solcher Bodenbeirat sollte Kriterien für Ankäufe und Erbbaurechtsvergaben (mit-)entwickeln und die operative Bodenpolitik (mit-)kontrollieren können. Auch Vorschläge zum Grundstückserwerb sollte er einbringen können.
In die Finanzierung von Bodenerwerb ist aktuell Bewegung gekommen, denn anders als beim SODA ist die jetzt gegründete Bodenfonds GmbH eine für den Erwerb zuständige landeseigene Gesellschaft, ein sogenannter Extrahaushalt mit festgelegtem Budget – zumindest für 2020 und 2021. Aber ob er nun SODA oder Bodenfonds GmbH heißt, wichtig bei jeder Art von Bodenfonds ist, dass dieser eigenständig als Akteur im Sinne des Auftrags „strategischer Flächenerwerb“ wirken kann: Dass er nicht verkauft, aber im Erbbaurecht zur Nutzung vergibt; transparent ist, Mitwirkung möglich macht und auskömmlich wirtschaften kann – auch revolvierend. Solch ein Bodenfonds wäre ein tatsächlicher Neustart und eine Neubestimmung in der Nach-Wende-Liegenschaftspolitik Berlins, ein Perspektivwechsel, der den Berliner Boden nicht auf seine haushalterisch-finanzielle Bedeutung reduziert, sondern als stadtentwicklungspolitischen und damit gesellschaftlich wirksamen Gestaltungsspielraum wahrnimmt.
Ein Berliner Bodenfonds sollte die verschiedenen öffentlichen Bodenvermögen der Senats- und Bezirksverwaltungen und der BIM unter einer gemeinsamen bodenpolitischen Strategie vereinen. Der Bodenfonds als ein solches Dach wäre eine wesentliche Setzung, um eine neue Berliner Bodenstrategie darstellbar und verständlich zu machen – was beim Thema Boden generell und den zersplitterten Zuständigkeiten in Berlin im Besonderen keine leichte Aufgabe ist.

Ein zivilgesellschaftlicher Bodenbeirat zur Mitwirkung und Mitkontrolle einer nachhaltigen Berliner Bodenpolitik. Grafik: Daniela Brahm
Mit der im September 2020 gegründeten Bodenfonds GmbH wurde nun eine Zuständigkeit für den Ankauf von Grundstücken etabliert. Dass diese GmbH dauerhaft selbst den Boden hält und „nur“ mittels Erbbaurechts an die anderen landeseigenen Vermögen weitergibt, ist in der gesetzlichen Schuldenbremse und der ab 2020 verbotenen neuen Kreditaufnahmen begründet, fügt aber leider der Unübersichtlichkeit der Berliner Bodenverwaltung einen weiteren Akteur hinzu, statt die Komplexität zu verringern. Was Berlins bodenpolitische Strategie weiterhin stark vernachlässigt, ist die bewusste, gewollte und stadtentwicklungspolitisch gesteuerte Einbeziehung privater Dritter etwa als Akteure im dringend benötigten bezahlbaren Wohnungsbau und im sozialen, kulturellen aber auch nachhaltigen gewerblichen Bereich wie der social economy. Das Ankaufsbudget der Bodenfonds GmbH für 2020/21 ist bereits jetzt mit Ankaufswünschen aus den Verwaltungen ausgeschöpft, Ankäufe von Grundstücken zur Vergabe an Dritte sind somit leider nicht in Sicht.
Auch die jüngere Vergangenheit hat gezeigt, dass der kommunale Bodenvorrat zunächst an die Verwaltungen oder die landeseigenen (Wohnungsbau-)Unternehmen geht, für die viel gepriesenen Konzeptvergaben mittels Erbbaurecht blieben wenige, meist kleine oder nur schwierig zu entwickelnde Grundstücke übrig. Gerade in der Vergabe von Erbbaurechten an – im Sinne der Nutzungsbindung agierenden – Dritten liegt der stadtentwicklungspolitische Gestaltungsraum, der eine vielfältige Stadt und eine Diversität ermöglicht, die Verwaltung und Landesunternehmen alleine nicht verwirklichen können. Die Landeshaushaltsordnung muss dahingehend dringend geändert werden, damit Berlin auch über Erbbaurechtsvergaben Stadtentwicklung tatsächlich steuern kann.
SODA, Bodenfonds GmbH und die Fokussierung auf Erbbaurechtsvergaben sind wichtige Bausteine und richtungsweisend in einer Neuausrichtung der Berliner Bodenpolitik, stellen aber noch keinen Berliner Bodenfonds dar, wie er seit 2017 von vielen Seiten gefordert wird. Welche Kriterien dieser letztlich erfüllen soll, muss weiterhin und dringend zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft ausgehandelt werden. Bisher hat sich Berlin nicht ausreichend gegen einen möglichen Roll-Back in eine erneute Ausverkaufsphase gewappnet, es gibt kein Regelwerk und keine gesetzliche Sicherung.
Die Corona Pandemie und der Ausblick auf schwindende Steuereinnahmen und hohen Zusatzausgaben sprechen eine Warnung dafür aus, wie gefährdet der jetzt eingeschlagene Kurs immer wieder sein kann. Ein Gesetz, das ausschließt, dass landeseigener Boden verkauft wird, würde diesem Kurs eine ganz andere Perspektive geben – für uns alle. Und gerade deswegen muss fortwährend auf eine Mitwirkung der Zivilgesellschaft in der Entwicklung und Umsetzung der Berliner Bodenpolitik gedrängt werden. Seit 8 Jahren betreibt die Initiative StadtNeudenken den Runden Tisch Liegenschaftspolitik im Berliner Abgeordnetenhaus, der ein hoch-kompetentes Zusammentreffen aus Parlamentarier*innen, der Verwaltung, der Zivilgesellschaft und Vertreter*innen aus Kultur, Sozialem und Gewerbe geworden ist. Der Runde Tisch ist längst aus den Kinderschuhen herausgewachsen und versammelt eine deutschlandweit wohl einzigartige Expertise – er sollte in die Lage versetzt werden, aus seinen Reihen in einen potentiellen Bodenbeirat zu entsenden.
Die ganze Präsentation von Daniela Brahm
Quellen
[1] Sondervermögen für Daseinsvorsorge- und nicht betriebsnotwendige Bestandsgrundstücke des Landes Berlin (SODA), Errichtungsgesetz vom 17.3.2017, verwaltet von der BIM, https://www.berlin.de/sen/finanzen/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.618596.php
[2] Bodenfonds GmbH, gegründet im September 2020 als Tochtergesellschaft der BIM, https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.942440.php
[3] Erbbaurechtswerkstatt 1.12.2017, veranstaltet von der Initiative Stadt Neudenken und der Stiftung trias organisiert mit freundlicher Unterstützung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, https://stadtneudenken.org/werkstaetten/
[4] Urbanize! Festival Berlin 5.-14.10.2018, veranstaltet von dérive – Verein für Stadtforschung, Wien zusammen mit zahlreichen Berliner stadtpolitischen Initiativen, https://berlin.urbanize.at/veranstaltungen/boden-gehoert-allen/
[5] s. Infografik „Wem gehört die Stadt“ in der Berliner Morgenpost vom 3.6.2018 https://www.morgenpost.de/bin/bmo-214466233.jpg
[6] Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin (SILB), sind Immobilien, die vom Land Berlin für seine öffentliche Verwaltung genutzt werden. Ein Überblick über Portfolio der BIM hier: https://www.bim-berlin.de/immobilien/unser-portfolio/
[7] Neue Bodeninitiative Basel, Volksentscheid am 28.2.2016 http://neue-bodeninitiative.ch/
[8] Konzept zur Bodenpolitischen Strategie und Ergänzung des bestehenden Regelwerks für die Liegenschaftspolitik, Beschluss des Senats von Berlin am 19.2.2019
[9] Landeshaushaltsordnung (LHO), s. § 63 Erwerb und Veräußerung von Vermögensgegenständen
Über die Autorin

Daniela Brahm ist bildende Künstlerin und Raumproduzentin in Berlin. 2004 initiierte sie zusammen mit dem Künstler Les Schliesser das Projekt ExRotaprint auf dem Gelände der ehemaligen Rotaprint-Fabrik in Berlin-Wedding. Für die Übernahme des 10.000 qm großen Areals mittels Erbbaurecht gründete sie 2007 zusammen mit anderen Mieter*innen die gemeinnützige GmbH ExRotaprint. Brahm ist Gesellschafterin und Teil des Planungsteams von ExRotaprint. Seit 2012 engagiert sich in der Initiative Stadt Neudenken und ist Mitglied am Runden Tisch zur Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik. 2018/19 war sie Gastprofessorin für Raumstrategien an der Weißensee Kunsthochschule Berlin.